Roman Karl Scholz: Auswahl aus dem Werk

Im Angesicht des Todes verdichtet sich das Leben auf die existentiellen Fragen. In mehrfacher Hinsicht trifft das auf den 1912 im mährischen Schönberg/Šumperk zur Welt gekommenen Schriftsteller Roman Karl Scholz zu. Scholz, der anfänglich mit den Ideen des Nationalsozialismus sympathisierte, gründete nach dem Anschluss Österreichs die Widerstandsgruppe „Deutsche Freiheitsbewegung“, die sich später in „Österreichische Freiheitsbewegung“ unbenannte.

Roman Karl Scholz: Auswahl aus dem Werk. Hrsg. von Ludvík Václavek, Poetica Moraviae, Band 6, Palacký-Universität Olomouc, 2014. 192 Seiten, ISBN 978-80-244-4069-9, Kč 86,00.

 

„Vergeh ich also ohne Spur?“

Im Angesicht des Todes verdichtet sich das Leben auf die existentiellen Fragen. In mehrfacher Hinsicht trifft das auf den 1912 im mährischen Schönberg/Šumperk zur Welt gekommenen Schriftsteller Roman Karl Scholz zu. Scholz, der anfänglich mit den Ideen des Nationalsozialismus sympathisierte, gründete nach dem Anschluss Österreichs die Widerstandsgruppe „Deutsche Freiheitsbewegung“, die sich später in „Österreichische Freiheitsbewegung“ unbenannte. Es handelte sich um eine patriotisch gesinnte Gruppe, die auf dem Fundament des katholischen Glaubens gegen die Nazis opponierte. 1940 wurde Scholz von einem Spitzel verraten und landete im Zuchthaus, wo er am 10. Mai 1944 wegen Hochverrats zum Tode verurteilt wurde.

In der Enge seiner Gefängniszelle lässt Roman Karl Scholz sein Leben Revue passieren: „Ich habe nichts von dem getan, was nach des alten Weisen Wort zu tun hat jeder echte Mann: Ich habe keinen Baum gepflanzt. Ich zeugte weder einen Sohn noch habe ich ein Haus gebaut. Vergeh ich also ohne Spur? Und war ich gar kein echter Mann“, heißt es in dem Gedicht „Summa vitae“. Dem Schriftsteller bleibt die Freiheit der Gedanken, die Gabe des Worts, um sich den entscheidenden Fragen nach dem Sinn des eigenen Lebens zu stellen. Dazu motiviert ihn ein junger Zellennachbar, der englische Schauspieler William Harden. Die literarische Produktivität hält Scholz über vier Jahre am Leben. Bei seiner literarischen Seeleninnenschau treten elementare Persönlichkeitsanteile zutage, die er vielleicht sein Leben lang verdrängt hat. Es ist insbesondere die Frage nach dem Umgang mit der eigenen Sexualität. Denn Roman Karl Scholz war, was dem Leser beim ersten Blick auf sein literarisches Schaffen vollkommen verborgen bleibt, katholischer Priester. 1930 trat er in das Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg ein, wo er vor allen Dingen als Jugendseelsorger tätig war. Gut zehn Jahre später schreibt er in seiner Todeszelle den Roman „Goneril. Die Geschichte einer Begegnung“, die Begegnung zweier Königskinder, die nicht zueinander kommen können, die Liebesgeschichte zwischen der jungen Frau Goneril und dem Priester Christian: Autobiografische Verarbeitung persönlicher Erfahrungen oder Sublimation ungelebter Sexualität? Wir wissen es nicht. In einem Geleitwort an William Harden offenbart sich Scholz mit erstaunlicher Offenheit: „Eine Frage mag Dir kommen: Was ist an der „Goneril“ eigenes Erlebnis? Nichts und alles. Nichts, weil alles Dichtung ist. Alles, weil nichts unerlebt ist. Denn was können wir Dichter sagen als uns selbst und schildern, als was wir erlitten? Aber man suche nicht! Das Nebensächlichste ist derart gestaltet, dass es profane Neugier auf falsche Fährten lenken muss.“ So wird der Name Goneril für den Augustiner-Chorherrn Roman Karl Scholz zur Ikone der Schönheit schlechthin, sie ist ein schimmernder Lichtstrahl in einer von Krieg, Zerstörung und Unmenschlichkeit gezeichneten Welt und zugleich die Chiffre für ein ungelebtes Leben, das im Kampf für die Freiheit und nicht zuletzt im bleibenden literarischen Werk seine letzte Erfüllung findet: „Im Geiste zeugt ich Sohn um Sohn. Und lebt nicht noch mir edler Ruhm?“ Das von der Arbeitsstelle für deutschmährische Literatur am Lehrstuhl für Germanistik in Olmütz herausgegebene Bändchen mit einer Auswahl aus dem Werk von Roman Karl Scholz ist vor allem vor dem Hintergrund seiner vielschichtigen Persönlichkeit und nicht zuletzt vor dem Hintergrund der anhaltenden Diskussionen über den Zölibat äußerst lesenswert!

Dr. Christian Geltinger