Versöhnungsmedaille der Ackermann-Gemeinde für „Antikomplex“

Zwar nahm mit Direktor Ondřej Matějka eine Person die Versöhnungsmedaille entgegen, doch die Würdigung galt der Einrichtung, konkret der Bürgervereinigung „Antikomplex“, deren Direktor er ist. Erstmals erhielt damit ein Verein die nun zum vierten Mal verliehene „Versöhnungsmedaille der Ackermann-Gemeinde im Gedenken an Hans Schütz“. Bisherige Preisträger waren Bischof František Radkovsky (Pilsen/Plzeň), Kardinal Miloslav Vlk (Prag), und Probst msgr. Anton Otte (Prag/Heiligenhof).

Diese Premiere betonte auch Martin Kastler MdEP, der Bundesvorsitzende der Ackermann-Gemeinde. Nach seinen Worten werde damit insbesondere das zivilgesellschaftliche Engagement und der Mut des in Prag ansässigen Bürgervereins „Antikomplex“ gewürdigt. „Die Ackermann-Gemeinde baut Brücken, das ist die Botschaft, die wir leben. Auch Antikomplex hat Brücken mitgebaut und trägt dazu bei, Klischees und Vorurteile zu überwinden“, begründete Kastler die Preisvergabe.

In seiner Laudatio verwies Rainer Karlitschek, Mitglied des Bundesvorstandes der Ackermann-Gemeinde, auf den Verbandsgründer Hans Schütz, der selbst immer den Blick nach vorne und neue Perspektiven für die deutsch-tschechische Nachbarschaft gesucht habe. „Das hieß aber auch, die Arbeit von den Trägern der ersten Stunde an nachfolgende Generationen weiterzugeben. (…) Heute entwickelt sich die deutsch-tschechische Verständigung aus der beobachteten, erlebten und gestalteten Erfahrung von Brüchen, Gemeinsamkeiten und gesellschaftlichen Fragestellungen einer europäischen Nachbarschaft. Der Hans Schütz-Preis entfernt sich von der Erlebnisgeneration, wandelt eigene Betroffenheit und Vergangenheitsbewältigung in Friedensarbeit einer jungen Generation – und ist Ausdruck des von Hans Schütz stets propagierten 'Cuncta fluunt' (alles bewegt sich)“, konkretisierte der Laudator. Karlitschek. Er beschrieb die 90er Jahre als „Kulminations- und Wendepunkt der Geschichte zwischen Deutschen und Tschechen“, wo erbittert um geschichtspolitische Positionen gerungen wurde. In diese Zeit fiel auch die Gründung von „Antikomplex“, die mitunter auch in der tschechischen Gesellschaft mit dem Aufgreifen heißer Eisen zu provozieren wusste. „Die vorwiegend männlich dominierte Studentengruppe zeigte sich als scharf formulierende Intellektuellenvereinigung, wissbegierig, historisch positivistisch und voll von Energie und Tatenkraft“, schilderte Karlitschek seine ersten Begegnungen mit den Antikomplex-Leuten im Jahr 1998. Daraus entwickelte sich, so Karlitschek, eine regelmäßige Zusammenarbeit, und der Jungen Aktion der Ackermann-Gemeinde gab Antikomplex auch den Impuls, Geschichte wieder mehr ins Zentrum der Verbandsarbeit zu rücken. Der Laudator ging auch auf die weiteren Aktivitäten von „Antikomplex“ ein. „Die Mitglieder und Mitarbeiter von Antikomplex gehen an Schulen, organisieren Gespräche zwischen Vertriebenen und jungen Tschechen“, führte er an und erwähnte natürlich die von der Vereinigung erstellte Ausstellung „Die verschwundenen Sudeten“, die später auch als Buch erschien. Heute sind die „Antikomplex“-Leute „professionelle Akteure praktischer Friedens- und Bildungsarbeit im bürgerlichen Sinne geworden. Das zeigt aber auch, wie erfolgreich eine kleine Gruppe von Engagierten vernetzt und professionalisiert über eine jugendliche Anfangseuphorie hinaus nachhaltig wirkt“, warf Karlitschek einen Blick auf heute. „Antikomplex ist längst anerkannter und weit vernetzter Ansprechpartner in Tschechien, immer wenn es um historische Projekte irgendwo im Land geht – sie wissen davon und werden als kompetenter Braintrust eingebunden. Dabei ist Geschichte nie Selbstzweck. Man kann vielmehr erfahren, wie Geschichte nachwirkt und für die Gestaltung der Gegenwart von Bedeutung ist. Und dabei kennen sie die deutsche Seite nicht weniger genau wie die tschechische“, zollte das AG-Bundesvorstandsmitglied Anerkennung. Und zur Verleihung der Versöhnungsmedaille meinte Karlitschek: „Die neue Generation an Akteuren der Friedensarbeit in Gedenken an Hans Schütz zu ehren, heißt für die Ackermann-Gemeinde auch große Dankbarkeit für die Erfahrung, dass ihre Kernthemen auch in Tschechien enorme Aufnahme finden. Die Ackermann-Gemeinde will Antikomplex Respekt und Anerkennung zollen, will zeigen, wie fruchtbar für die eigene Arbeit die Begegnung und Zusammenarbeit mit Euch lieben Antikomplexlern ist.“

„Es ist eine Ehre für uns, aber unsere Arbeit war nicht einfach“, bedankte sich Ondřej Matějka für die Auszeichnung. Antikomplex wollte vor allem in den Feldern aktiv sein, wo sonst niemand war – frühere deutsche Siedlungsgebiete, Vertreibung, Wiederbesiedlung, Ende der deutschen Kultur dort. „Wichtig war für uns, Partner in Deutschland zu finden, die wir auf diesem Weg mitnehmen und uns begleiten können. Für uns war es eine Stärkung zu wissen, dass es Leute gibt, die Vertriebene sind und mit denen wir uns in allen Punkten verstehen“, führte er aus und meinte damit die Ackermann-Gemeinde und die Junge Aktion, „die immer auch kritisch“ seien und in ihren Grundlagen das Bekenntnis der eigene Schuld vor der anderer fixiert haben“ - ähnliche Maximen wie bei Antikomplex, wie Matějka erläuterte. „Die Ackermann-Gemeinde ist mit dieser offenen, freundlichen Position im Gegensatz zum Mainstream gestanden. Das ist auch der Grund, dass die Ackermann-Gemeinde immer noch so freundlich und lebendig ist“, gab er das Lob zurück und sah die Verleihung der Medaille auch als Ansporn, noch breiter in der Wirkung zu werden, um auch in diesem Punkt der Ackermann-Gemeinde nahe zu kommen.

M. Bauer