Einsatz für Europa und für die deutsch-tschechische Versöhnung

Nach der Analyse der aktuellen Situation Europas und der möglichen Herausforderungen zeigte Staatsminister Dr. Johannes Beermann, der Chef der Sächsischen Staatskanzlei, in seiner Festrede am Sonntagvormittag „Europa-Visionen“ auf.

Beermann zitierte, den Begriff „Vision“ erläuternd, zu Beginn seines Vortrags Weihbischof Hauke: „Gemeinsame Gedanken und Ideen können Menschen zusammenführen“. Und er selbst folgerte daraus: „Was mutige Menschen vordenken, ist eine Vision von Europa – und nicht des Euro“. In diesem Kontext würdigte der Staatsminister die bereits bei der Gründung der Ackermann-Gemeinde fixierten Gedanken eines neuen, vereinten Europas mit den Parametern Versöhnung und Bereuen bzw. Eingeständnis der eigenen Schuld als Basis im deutsch-tschechischen Verhältnis. „Diese Vision hat sich leider noch nicht so weit erfüllt, als dass man nicht noch weiter für sie eintreten müsste. Zwar wurde auf dem Weg der Versöhnung schon viel erreicht, viel bleibt aber noch zu tun. Da sind dicke Bretter zu bohren, aber ich glaube wie Sie, dass sich dies lohnt und ich danke Ihnen für Ihr dahingehendes Engagement“, sprach Beermann der Ackermann-Gemeinde Dank aus und ermunterte zur Fortsetzung der Versöhnungsarbeit.

In einem geschichtlichen Abriss zeigte er Visionäre der jüngsten Vergangenheit, wie Martin Luther King, sowie europäische Visionen von Pierre Dubois (1306) über Erasmus von Rotterdam (1517) und Victor Hugo (1849) bis hin zu Robert Schumann, Jean Monnet und Konrad Adenauer in den 50er Jahren mit den Umsetzungen Montanunion, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) auf. „Was seither geschah, kann man je nach Betrachtungsweise als Erfolgsgeschichte oder als Aneinanderreihung von Krisen und Problemen sehen“, charakterisierte der Staatskanzleichef die Entwicklung der letzten Jahrzehnte mit dem Scheitern der Verfassung für Europa sowie der Euro- bzw. Staatsschuldenkrise als jüngste negative Ereignisse. Dennoch habe der europäische Zusammenschluss für Frieden, Freiheit und Wohlstand gesorgt – ein Wohlstand, der jetzt auf dem Spiel steht. Beerbaum glaubt jedoch nicht, dass die Gemeinschaft oder der Euro an der Krise zerbricht. „Dagegen spricht schon die Tatsache, dass die Gemeinschaft sich bislang stets als krisenresistent erwies und solche Krisen häufig zur Vertiefung der Gemeinschaft beitrugen“, erläuterte Beermann und wies darauf hin, dass die bei der Einführung des Euro gemachten Fehler nun korrigiert werden.

Wichtig ist für den sächsischen Landespolitiker, dass als Basis für die Währungsunion eine echte wirtschaftspolitische Union geschaffen wird – konkret gemeinschaftliche Spielregeln für den Umgang mit dem Staatshaushalt, was Deutschland immer gefordert hat. Doch dieser Schritt, so Beermann, „bringt uns immer näher an die Grenzen unserer Verfassung. Das Grundgesetz erlaubt es nicht, in unbegrenztem Maße staatliche Hoheitsrechte auf die Gemeinschaft zu übertragen.“ Dennoch ist für ihn nur ein „mehr Europa“ eventuell in Form eines Bundesstaates die Lösung, auch wenn die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes noch abgewartet werden müssen. Allerdings glaubt der Staatskanzleichef nicht, „dass alle derzeitigen Mitgliedsstaaten dies zur gleichen Zeit können und wollen“ - Großbritannien und auch viele mittel- und osteuropäische Staaten sieht er erst zu einem späteren Zeitpunkt in diesem neuen Europa. In diesem Kontext erläuterte Beermann den Artikel 146 des Grundgesetzes. „Rechtlich erscheint es also möglich, die Vision von einem europäischen Bundesstaat umzusetzen. Praktisch möglich wäre dies aber erst dann, wenn die Mehrheit der Bevölkerung dem zustimmt“, fasste der Landespolitiker zusammen und nannte eine noch große Überzeugungsarbeit in der Bevölkerung, um dies zu erreichen. „Insoweit wird sich meine Vision für Europa und Ihre Vision der vollständigen Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen nicht heute und nicht morgen verwirklichen lassen. Aber ich glaube, dass sich der Einsatz für die Ihre und für diejenige für Europa lohnt“, schloss Beermann seine Festrede.

M. Bauer