XXIII. Colloquia Ustensia

Vom 17. bis 30. August haben sich etwa 50 Teilnehmer getroffen, um an den XXIII. Colloquia Ustensia teilzunehmen. Diese traditionelle Veranstalltung bietet neben den Sprachkursen auch ein vielfältiges Rahmenprogramm zur Landeskunde mit kulturellen Beiträgen und Diskussionen an.

Viel Elan und Durchsetzungsvermögen war musste in diesem Jahr die Aussiger Professorin Kristina Kaiserová aufbringen. Erst im Mai wurde die Mit-Organisatorin der XXIII. COLLOQUIA USTENSIA mit der Tatsache konfrontiert, dass im bisher genutzten Studentenwohnheim im Stadtteil Kleische (Klíše) die Mensa geschlossen und für andere Zwecke umgebaut wurde. Damit war die gemeinsam mit der Ackermann-Gemeinde durchgeführte traditionelle Sommerakademie dort nicht mehr durchführbar. Die von Kaiserová kurzfristig organisierte Alternative war ein auch vom Rektorat der Aussiger Universität genutztes Gebäude unterhalb des Stadtteils Severní Terasa.

 

Die knapp 50 Teilnehmer mussten dort fehlende Gastwirtschaften im Umfeld und etwas weitere Wege zu Bushaltestellen und Einkaufsmöglichkeiten in Kauf nehmen. Das wurde mehr als ausgeglichen durch kurze Wege im Haus, und durch deutlich mehr Komfort und Gemütlichkeit. Besonders das Dekor und die Lampen im Eingangsbereich und in der Mensa erinnerten deutlich daran, dass das Haus ursprünglich als Kreis-Parteischule gebaut worden war.

 

Die mit Teppichboden ausgestattete Mensa bot nicht nur für die Mahlzeiten, sondern auch für das gemeinsame Singen tschechischer Lieder nach dem Frühstück, und für die Vorträge am Abend eine angenehme Atmosphäre. Auch die morgendlichen Andachten, die von zwei katholischen und zwei evangelischen Pfarrern im Wechsel gehalten wurden, fanden dort eine angemessene Umgebung.

 

Der vormittägliche Tschechisch-Unterricht wurde wie gewohnt in fünf Leistungsstufen von engagierten tschechischen Lehrern durchgeführt. So konnte jeder Teilnehmer die Lerngruppe finden, die seinen Vorkenntnissen entsprach.

 

Einen weiten Bogen spannten die Themen der abendlichen Vorträge. Den Anfang machte Radím Holeček. Der frühere Tschechisch-Lehrer der Sommerakademie ist seit der letzten Wahl Abgeordneter im Tschechischen Parlament und berichtete von seinen Erfahrungen dort. Tradition hat der jährliche Vortrag des Aussiger Stadtarchivars Vladimír Kaiser über seine Pilger-Wanderungen, diesmal in Österreich. Jaroslav Šebek,  Kirchenhistoriker und Berater von Kardinal Duka, informierte über die aktuelle Situation der katholischen Kirche in Tschechien. Über ihre Recherchen zum bewegten Leben eines böhmisch-sächsischen Porzellan-Malers im 19. Jahrhundert sprach Marlies Sonnemann, und Petr Karliček vom Bezirksarchiv Tetschen zeigte Karikaturen der Henlein-nahen Satirezeitung „Der Igel“ über den Radiosender Mĕlník.

 

Die Prager Tonfilm-Affäre von 1930 brachte Anna Knechtel vom Adalber-Stifter-Verein den Teilnehmern nahe. Aufgestachelt von einer tschechischen faschistischen Partei hatten damals Hunderte junger Tschechen teils gewaltsam gegen Aufführungen deutschen Tonfilme in Prager Kinos protestiert. Der Aussiger Fotograf Dan Fiker hatte für seinen Vortrag über die Herstellung von Panoramakarten sogar seinen Mini-Hubschrauber mitgebracht, den er für die Aufnahmen einsetzt. Martin Veselý schilderte die Situation des Sudetengaus im Luftkrieg gegen Deutschland während des 2. Weltkriegs.

 

Mit dem 1. Weltkrieg wurden die Teilnehmer gleich zwei Mal konfrontiert. Neben der Präsentation im Aussiger Stadtmuseum stand im Rahmen eines Ganztagsausflugs in Reichenberg (Liberec) auch das dortige Museum mit seiner Ausstellung zu diesem Thema auf dem Programm. Die Vertreibung der Sudetendeutschen und damit verbundene Verbrechen bilden den Hintergrund des preisgekrönten tschechischen Animationsfilms „Alois Nebel“.

Der Geologe Ivan Farský führte die Gruppe durch Teplitz (Teplice) und den dortigen botanischen Garten. Im anschließenden abendlichen Vortrag zeigte er das Zukunftspotenzial dieser traditionsreichen Kurstadt auf, die ja schon vor Karlsbad zu den führenden Heilbädern Europas gehörte. Weitere Ausflugsziele waren die Elbe-Städte Leitmeritz (Litomĕřice) mit der Exposition „Böhmische Weine“ im neu rekonstruierten Schloß, und Raudnitz (Roudnice), wo die Stadtkirche und das anschließende Augustinerkloster besichtigt wurden.

 

Die Erfolge beim Tschechisch-Lernen wurden von Kristina Kaiserová und Martin Veselý mit Zertifikaten für die Absolventen gewürdigt. Mindestens genauso hoch einzuschätzen ist aber der Gewinn an Erfahrungen und Erkenntnissen über die tschechische Kultur und Gesellschaft. Ein Grund, wiederzukommen, darin waren sich langjährige und erstmalige Teilnehmer einig. Der Termin für die XXIV. COLLOQUIA USTENSIA steht schon fest: es ist der 16. bis 29. August 2015.

Fast 50 Teilnehmer der diesjährigen <br/ >Sommerakademie COLLOQUIA USTENSIA <br/ >besichtigten auch die Sonderausstellung <br/ >zum 1. Weltkrieg im Stadtmuseum <br/ >Reichenberg (Liberec).