Verschwörungstheorien und der Umgang damit

Daniel Kraft von der Bundeszentrale für politische Bildung beim ackermann@themenzoom

Verschwörungstheorien sind gerade jetzt in der Corona-Krise wieder verstärkt in den Fokus gerückt. Mit dieser Thematik setzte sich der jüngste themenzoom der Ackermann-Gemeinde auseinander. Referent war Daniel Kraft, Pressesprecher und Leiter der Stabsstelle Kommunikation bei der Bundeszentrale für politische Bildung.

Über 51 zugeschaltete Bildschirme und Telefone aus mehreren Ländern – Daniel Kraft saß an diesem Abend in Belgien – freute sich Moderator Rainer Karlitschek. Er stellte den Mitarbeiter der Bundeszentrale für politische Bildung kurz vor: Kraft studierte in Freiburg und Brünn/Brno Politikwissenschaft, Soziologie und Germanistik. Vor seinem Einstieg bei der Bundeszentrale für politische Bildung arbeitete er bei der Brücke/Most-Stiftung für die Verständigung von Deutschen, Tschechen, Slowaken und Polen. Mit der Ackermann-Gemeinde bzw. der Jungen Aktion verbindet ihn der Einsatz für das Deutsch-Tschechische Jugendforum. Bei der Bundeszentrale für politische Bildung hat er angesichts der Corona-Krise das Format „Die Politikstunde“ eingeführt – und hier standen Verschwörungstheorien auch auf dem Themenplan.

Dieses mit dem Lockdown gestartete Angebot – täglich 45 Minuten Politikunterricht, in der Summe 35 Stunden mit unterschiedlichen Experten – präsentierte Kraft kurz, um dann auf den Aspekt „Verschwörungstheorien“ konkret einzugehen. „Wissen und Fakten statt Fake News und Verschwörungstheorie“ lautete sein Thema. Anhand eines Leitfadens, den der in Tübingen lehrende Amerikanist Michael Butter zu Verschwörungstheorien entwickelt hat, charakterisierte Kraft diese und nannte aktuelle (Bill Gates) bzw. frühere Beispiele. Ebenso ging der Referent auf die Frage ein, warum Menschen an diese Theorien glauben und warum es zu bestimmten Zeiten extrem viele gibt. Beitragen dazu würde, so Kraft, die Verbreitung durch soziale Medien, sie böten ein „Sinn- und Erklärungsangebot“, es würden Schuldige gefunden und die „Reduktion kognitiver Dissonanzen“, d.h. die Auflösung von pluralen Inhalten und Fakten durch einfache Antworten, sei dadurch möglich. Bei den Ansätzen, was man konkret gegen Verschwörungstheorien und deren Vertreter tun könne, empfahl Kraft die Faktencheckerin Karolin Schwarz. Grundsätzlich sei wichtig, zwischen „offline“ und „online“ zu unterscheiden, Sachinformationen bereitzustellen, sachlich im Ton zu bleiben und Verbindung zu halten (v.a. im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis). Zudem seien die Herkunft und Vertrauenswürdigkeit von Quellen sowie ggf. Widersprüche zu recherchieren. Abschließend präsentierte Kraft das Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung „Wahre Welle TV“. Dabei handelt es sich um eine Website im Stil eines Fernsehsenders, der vorgibt, über Verschwörungstheorien aufzuklären. Tatsächlich erfolgt aber eine satirische Auseinandersetzung mit Verschwörungstheorien und deren absurden und wirklichkeitsverzerrenden Argumentationsmustern. Mit dem Hinweis auf den aktuellen Podcast der Bundeszentrale für politische Bildung („Die ‚Wahrheit“ in Zeiten von „Corona“), die Themenseite „Fake News“ und aktuelle Webvideo-Formate schloss Kraft seine Ausführungen, nicht ohne auf Regierungschefs in Ungarn, Brasilien oder den USA hinzuweisen, die Fake News und Inhalte von Verschwörungstheorien in ihr politisches Kalkül einbeziehen.

Moderator Karlitschek weitete die zuletzt erwähnten Personen auf „vertraute Personen“ aus. Kraft nannte exemplarisch den Rapper Sido und den Sänger Xavier Naidoo, in deren Texten „Anklänge von Verschwörungstheorien“ vorkommen. Das Aufrechterhalten des Dialogs bzw. der Beziehungsebene ist für Kraft die Basis, um Verschwörungstheorien und -theoretikern entgegenzuwirken. „Wenn wer hart unterwegs ist, dann ist es sehr schwierig, ihn wieder herauszuholen“, relativierte der Vortragende. Dr. Otfrid Pustejovsky verwies auf vielerlei Falschmeldungen im Alltag und bei historischen Ereignissen, Matthias Dörr fragte, welche Interessen die Verbreiter von Verschwörungstheorien leiten. Drei Kategorien nannte Kraft: Menschen, die überzeugt sind und diese Inhalte wirklich glauben; Menschen mit einem klaren politischen Kalkül; Menschen mit Geltungsdrang und – als eine Folge – ökonomischen Interesse. Die Bundeszentrale für politische Bildung setzt beim Aufbau von Kontakten zu Verschwörungstheoretikern besonders „auf Partner, die solche Leute auch erreichen können, die ihre Sprache reden“, so Kraft – zum Beispiel Youtuber und Blogger. Mit dem Format „Die Politikstunde“ erreiche man eher Multiplikatoren.

Markus Bauer

Daniel Kraft bei seinem Vortrag.
Blick auf einen Teil der Interessenten am Vortrag von Daniel Kraft.