Vergebung – eine Herausforderung für jeden Einzelnen

Das Thema "Vergebung" bildet im ersten Halbjahr 2012 einen Schwerpunkt in der Arbeit der Ackermann-Gemeinde. Hierzu wird es auf dem Katholikentag in Mannheim und auf dem Sudetendeutschen Tag in Nürnberg Veranstaltungen geben und die Ausstellung "The Forgiveness Project - Geschichten vom Ungang mit Leid, Verletzung und Vergebung“ gezeigt. Dorothea Schroth, stellvertretende Bundesvorsitzende der Ackermann-Gemeinde, hat grundlegende Gedanken zum Thema "Vergebung" formuliert:

"Im Laufe unseres Lebens erfahren wir viele Ungerechtigkeiten und Verletzungen. Kaum eine Beziehung wird, ohne dass Kränkungen erfolgen, gelebt werden können. Sie verletzen uns, aber wirken nicht in uns nach. In weiteren Beziehungen unseres Lebens verursachen und erleiden wir durch Aussagen und Verhaltensweisen Kränkungen, aber auch tiefere Verletzungen, die Wunden verursachen und Narben hinterlassen. Wir können zu Opfern werden, weil wir einer bestimmten Gruppe von Menschen angehören oder weil wir zu einer „falschen“ Zeit am „falschen“ Ort waren oder weil wir gezielt angegriffen wurden. Tschechen und Deutschen ist dies in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unzählige Male widerfahren. Wie können wir mit solchen massiven Verletzungen umgehen?

Für uns Menschen ist es gut, barmherzig zueinander zu sein, da wir einander immer wieder „etwas schuldig bleiben“. Die Bitte um Vergebung und unser Versprechen, unseren Schuldigern zu vergeben, ist für Christen im „Vaterunser“ grundgelegt (Mt 6,9-15). Auch im Gespräch mit Petrus, als dieser Jesus fragt, wie oft er seinem Bruder vergeben müsse, wenn dieser sich gegen ihn versündigt hat: „siebenmal?“, sagt Jesus zu ihm: „nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal“ (Mt 18,21-22). Dass ein Zusammenleben ohne Vergebung nicht möglich sein kann, wird durch die sich anschließende Erzählung des Gleichnisses vom „unbarmherzigen Gläubiger“ noch einmal deutlich gemacht (Mt 18,23-35).

Wir können zulassen, dass Gedanken an das geschehene Unrecht und damit verbundene Gefühle das Leben bestimmen, oder versuchen, einen Weg zu finden, uns davon zu befreien. Es ist unser Bemühen, einen anderen Umgang mit den Ereignissen zu finden, einen Umgang, der die Fixierung auf die Vergangenheit löst und das Leben in der Gegenwart verändert.

Böses, das geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden, wir können nur unsere Haltung hierzu verändern. Das kann nicht bedeuten, schlimme Taten zu verleugnen oder „klein zu reden“. Die verletzenden Taten dürfen und müssen in ihrem ganzen Ausmaß benannt werden.

Vergebung wird durch den Entschluss des Opfers in Gang gesetzt, dem Täter zu vergeben; vielleicht aus dem Wunsch heraus, der Verstrickung mit dem Verursacher zu entkommen. Er soll unsere Stimmung nicht mehr be­stimmen.

Ist der Entschluss vergeben zu wollen gefasst, so wird ein Prozess, ein innerer Vorgang nötig sein, der eine intensive Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen bedeutet. Es geht nicht darum, Wut, Ohnmacht, Bitterkeit, Ressentiments und Gefühle der Unversöhnlichkeit wegzuschieben, sondern sich ihnen zu stellen. Die Vergebung könnte sonst nur oberflächlich sein, sie soll aber von Herzen erfolgen. Ein Bemühen um Verständnis dafür, welche Kräfte Menschen zu ihren gravierenden Verfehlungen gebracht haben, kann helfen, den Vergebungsprozess im verletzten Opfer voranzutreiben. Die Einstellung dem Täter gegenüber kann sich ändern, die innere Haltung wird sich wandeln. Trotz allen Bemühens können aber Narben wieder aufreißen und Schmerzen verursachen, so dass eine erneute Auseinandersetzung mit den Verletzungen nötig wird.

Vergebung mit einem Verzicht auf Ausgleich oder gar Rache ist eine große Anstrengung und Aufgabe, die aber die Möglichkeit schafft, das Leben in der Gegenwart freier zu gestalten. Nur wenn die Vergebung beim Einzelnen anfängt und sich in der Familie, in der Nachbarschaft, in der Gruppe und in der Völkergemeinschaft fortsetzt, dann ist eine gute Voraussetzung für Versöhnung gegeben; dann kann auch Völkerverständigung gelingen." 

Das Thema „Vergebung“ wird in der Ackermann-Gemeinde im ersten Halbjahr 2012 bei verschiedenen Veranstaltungen aufgegriffen. Hier eine Übersicht:

98. Deutscher Katholikentag vom 16. bis 20. Mai 2012 in Mannheim mit dem Motto „Einen neuen Aufbruch wagen“

Podiumsdiskussion „Vergebung (un-)möglich? Unrechtserfahrungen und neue Aufbrüche“, mit

- Dr. Martin Grabe, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
- Prof. Dr. Jan Philipp Reemtsma, Hamburger Institut für Sozialforschung, Entführungsopfer
- Dr. Walter Rzepka, Ackermann-Gemeinde, Vertriebener
- Prof. Dr. Gesine Schwan, Politikwissenschaftlerin
Moderation: Prof. Dr. Albert-Peter Reth­mann

Freitag, 18. Mai 2012, 11.00 Uhr bis 12.30 Uhr, Congress Center Rosengarten, Alban-Berg-Saal, Ebene 3, Rosengartenplatz 2.

Ausstellung: „The Forgiveness Project – Geschichten vom Umgang mit Leid, Verletzung und Vergebung“

Congress Center Rosengarten.

 

Sudetendeutscher Tag in Nürnberg

Internationale Wanderausstellung „The forgiveness project – Geschichten vom Umgang mit Leid, Verletzung und Vergebung“

Ausstellungseröffnung am Samstag, 26.05.2012, 13.30 Uhr

Messezenturm, NCC Ost – Halle 6

Vortrag und Diskussion: „Vergebung – Wege zu einem befreienden Umgang nach Unrechtserfahrungen“

mit Dr. Martin Grabe, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Vorsitzen­der der Akademie für Psychotherapie und Seelsorge (APS)

am Samstag, 26.05.2012, 14.00 Uhr

Messezentrum, NCC Ost – Saal Seoul, Ebene 3

Plakat zur Ausstellung.