Und plötzlich mittendrin … gestrandet in Israel
SPD-Bundestagsabgeordneter Sebastian Roloff beim Themen-Zoom der Ackermann-Gemeinde
Über seine Eindrücke und Erlebnisse Mitte Juni in Israel während der Tage der mit gegenseitigem Bombardement verbundenen militärischen Auseinandersetzung zwischen Israel und Iran berichtete unter dem Titel „Und plötzlich mittendrin … gestrandet in Israel“ im jüngsten Themen-Zoom der Ackermann-Gemeine der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff (42). Den an 49 PCs seine Ausführungen verfolgenden Interessenten teilte er zudem mit, dass er zuvor als neuer Landesvorsitzender der Bayern-SPD nominiert wurde.
Den aus der Oberpfälzer Kreisstadt Cham stammenden und nun in München wohnende Bundestagsabgeordnete ist schon lange der sudetendeutschen Thematik verbunden – früher in der Jugendarbeit, jetzt als Mitglied des Sudetendeutschen Rates als Vertreter der SPD-Bundestagsfraktion. Außerdem gehört er dem Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung an. Im Bundestag ist er im Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie stellvertretend im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz sowie im Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union. Außerdem ist er unter anderem Mitglied der Deutsch-Israelitischen Gemeinschaft und des Fördervereins des Willy-Brandt-Zentrum Jerusalem. Moderator Rainer Karlitschek wies bei der Vorstellung darauf hin, dass er erst vor zwei Jahren nach langer Zeit bei einer Tagung wieder mit Roloff zusammengetroffen sei und beide ja in der Jugendarbeit – Roloff bei der SdJ, Karlitschek bei der Jungen Aktion der Ackermann-Gemeinde – in führenden Positionen aktiv waren. Vor seiner Wahl in den Deutschen Bundestag im Jahr 2021 war der Jurist unter anderem Gewerkschaftssekretär der IG Metall in München und Personalleiter bei MAN Truck & Bus SE.
Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte Mitte Juni berichtet, dass Roloff in Tel Aviv festsitzt. Schon lange widmet er sich den deutsch-israelitischen Beziehungen bzw. der Nahost-Frage. Das begann 2009/10 mit Austauschprojekten der Gewerkschaftsjugend. „Es war weniger eine religiöser oder politischer Hintergrund, sondern persönliches Interesse“, blickte Roloff zurück, wozu auch kulturelle und landschaftliche Aspekte kamen.
Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 „war die Situation in Israel kaum mehr vergleichbar mit der Situation vorher“, stellte der Bundestagsabgeordnete einleitend fest. Seither gelte in Israel der „Krisenmodus“. Er selbst wollte bei seiner Reise heuer im Juni vor allem die persönlichen Kontakte wieder beleben, es sollte also ein eher unaufgeregter Trip über ein verlängertes Wochenende werden. „Die ersten zwei Tage waren gut, aber über Nacht kam es dann zur dramatischen Veränderung“, schilderte er. Grund dafür waren die militärischen Präventivschläge Israels gegen den Iran und die erwarteten Reaktionen darauf. Es wurden alle Flüge annulliert, außerdem griffen für alle Menschen die sehr strikten Sicherheitsanweisungen in Form von Warn-Apps und Schutzinfrastruktur in Hotels und Wohnhäusern. „Die Israelis gehen damit erfahren und professionell um“, erklärte Roloff. „Wenn man sich an die Regeln hält, ist man einigermaßen sicher“, bekräftigte er zwar, aber auch er erlebte so etwas zum ersten Mal und mit noch nicht vollem Wissen der einzelnen Aspekte. „Der Iron Dome hat sehr zu meiner Desorientierung beigetragen. Ich habe dauernde Explosionen und Wändewackeln gespürt, ungefähr 50 große Explosionen habe ich körperlich registriert“, beschrieb er seine Eindrücke. Er hatte schon befürchtet, dass draußen immense Schäden seien. Tatsächlich handelte es ich bei den Expolosionen um die Detonationen der abgefangenen Raketen. Da zu dem Zeitpunkt die Dauer des gegenseitigem Raketenbeschusses nicht absehbar war, stellte man sich auf eine längere Zeit „24 Stunden Hotelzimmer“ ein. „Man gewinnt zwar nach 24 oder 36 Stunden Routine, aber die parlamentarische Aufgabe kann nicht ewig warten“, drückte der SPD-Politiker den damaligen Zwiespalt aus. Die Alternativen waren ein Transfer in den Süden (Gefahr durch Raketenbeschuss) und über die Grenze nach Ägypten und von dort der Rückflug oder nach Jordanien und dort von Amman zurück. Für die zweite Variante entschied sich Roloff, und er kam sicher – über Zürich – zurück nach Deutschland.
„Die Menschen in Israel leben seit Jahrzehnten unter diesen Rahmenbedingungen – egal woher die Raketen kommen. Das ist eine Situation, die man nicht jeden Tag braucht, die Menschen dort aber derzeit jeden Tag haben“, schloss der Bundestagsabgeordnete seine Schilderungen.
In den Fragen und Diskussionsbeiträgen ging es unter anderem um die Kommunikation mit der Deutschen Botschaft, der Frage nach mehr Sorge um Gaza oder um Israel, den zunehmenden Antisemitismus, die Beschränkung deutscher Waffenlieferungen an Israel, die humanitäre Situation im Gaza-Streifen und die aktuelle Weltlage – auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine.
Die Deutsche Botschaft könne „nicht zaubern“ stellte Roloff fest und machte vor allem die große Zahl an potenziell zu betreuenden Personen als Grund für manche Panne aus. Der Antisemitismus werde vor allem durch radikalisierte Einzelverbände und -personen bei Demonstrationen geschürt. Eindeutig wandte er sich gegen eine Opferumkehr, „die Hamas hat weiterhin eine Mitverantwortung“. Bei der Thematik „Waffenlieferung“ verwies Roloff auf den genauen Wortlaut. Es sei eine Kompromissformel, nämlich abzusehen von der Lieferung von Waffen, „die im Gaza-Streifen völkerrechtswidrig eingesetzt werden können“. Es bestehe kein Zweifel an der Solidarität Deutschlands mit dem Staat Israel, und damit sei auch kein Paradigmenwechsel vorgenommen worden. Grundsätzlich riet Roloff aber zur Vorsicht, damit es auch so bleibt. Bezüglich der Berichterstattung über die Lage in Gaza meinte der Bundestagsabgeordnete, dass es in Israel eine funktionierende Presse gebe, die Sache aber unterschiedlich bewertet werde. „Der Friede ist alles andere als sicher“, fasste Roloff auch vor dem Hintergrund seiner Besuches in Kiew in der letzten Woche zusammen. „Wir haben es selbst in der Hand und sollten im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen, zu einer friedlichen und klimaneutralen Welt zu kommen“, versprühte er zum Abschluss doch einen Funken Hoffnung.
Markus Bauer


