Sudetendeutsche und Russlanddeutsche feierten Gottesdienst in Altötting
„Maria ist eine aufmerksame und verlässliche Helferin.“ Zum 75. Mal fand am ersten Sonntag im Juli in Altötting, konkret in der Basilika St. Anna, der Gottesdienst der Sudetendeutschen statt. Hauptzelebrant war diesmal mit Domvikar Monsignore Dr. Alexander Hoffmann, der Leiter des Bereichs Muttersprachliche Seelsorge in der Erzdiözese München/Freising. Aus diesem Grund war auch eine Gruppe Russlanddeutscher vertreten.
An herkömmliche Wallfahrten ist in Corona-Zeiten ebenso wenig zu denken wie an von Pilgern dichtgedrängte Bänke in Gotteshäusern. Da die St. Anna-Basilika auch bei den gegebenen Abstandsregeln viele Gläubige fasst, konnte zumindest ein Gottesdienst am bewährten Termin der Sudetendeutschen Wallfahrt – am ersten Juli-Sonntag – anberaumt werden.
Zu Beginn des Gottesdienstes hieß Ilse Estermaier, die Vorsitzende der Ackermann-Gemeinde im Bistum Passau, besonders die Verbandsmitglieder, die Sudetendeutschen sowie die Russlanddeutschen willkommen. „Es ist schön, dass die Trachtengruppen und Fahnenabordnung wieder gekommen sind. Sie gehören zum Bild unserer alten Heimat“, stellte Estermaier fest. Ihr Gruß galt auch den Konzelebranten Militärpfarrer Siegfried Weber, der Wurzeln im Böhmerwald hat und Vorsitzender von Glaube und Heimat sowie Ehrenkanoniker in Budweis ist, sowie Monsignore Heinrich Josef Weiß aus Eichstätt. „In diesem Jahr feiert die Ackermann-Gemeinde ihr 75. Gründungsfest, so ist es auch die 75. Wallfahrt. Es sollte ein großes Fest werden. Jetzt sind wir froh, wieder am Ort des Gebets und der Zuversicht zu sein“, erklärte die Passauer Diözesanvorsitzende angesichts der Corona-Pandemie. Dennoch wünschte sie den Gläubigen „gute Begegnungen, gute Worte und fruchtbare Gebete. Dann spüren wir, Heimat im Glauben gefunden zu haben.“
Auf die Jubiläen bzw. die Situation vor 75 Jahren, im Jahr 1946, wies auch Domvikar Monsignore Dr. Alexander Hoffmann, der an diesem Tag sein 30-jähriges Priesterjubiläum feiern konnte, hin. „Die Menschen haben nach dem Krieg in ihren Sorgen und Nöten bei Maria Zuflucht gesucht“, rief er in Erinnerung und erwähnte in diesem Kontext auch das Schicksal der Russlanddeutschen, die unter Stalin ebenso ihre Heimat verlassen mussten. Die Heimat im Glauben und damit den Weg zu Christus zu finden – das sei heute sehr viel schwieriger geworden. Der Blick auf die Gottesmutter Maria könne daher die Menschen zu Christus führen, merkte der Domvikar an.
„1946, vor 75 Jahren, versammelten sich am 2. Juni die durch Krieg und Vertreibung entwurzelten Sudetendeutschen zum ersten Mal zu einer Wallfahrt in Altötting. Bei der Gottesmutter schöpften Tausende damals neue Kraft und Hoffnung und machten die Erfahrung, dass der Glaube, die Verwurzelung in der Kirche, ihnen als Heimat geblieben war“, zitierte Monsignore Hoffmann zu Beginn seiner Predigt aus dem Einladungsflyer. Die Gottesmutter Maria sei eine „Anlaufstelle bei Not und in schwierigen Situationen“ – wie eben auch die Vertreibung. Dennoch habe von Anfang an auch das Gebet und der Einsatz für Frieden und den Dialog der Völker im Herzen Europas eine wesentliche Rolle gespielt – und das „unermüdlich bis heute“, so der Geistliche. Daher habe die Ackermann-Gemeinde nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Ländern Mittel- und Osteuropas große Anerkennung gefunden. „Die Ackermann-Gemeinde ist in diesen Ländern zu einem Forum der Begegnung und des Dialogs geworden“, bilanzierte er. Doch die vielfach aufkommenden Nationalismen würden diese Arbeit auch weiterhin nötig machen. Und neue Themen, die bisweilen verstören oder verunsichern, würden Lösungen fordern, die aber „nur sehr zaghaft, wenn überhaupt sichtbar“ werden, so der Domvikar. Daher empfahl er, den Blick auf Maria zu richten und Antworten aus dem Glauben zu finden.
In diesem Zusammenhang ging Monsignore Hoffmann auf die manchmal auch kritisierte Bewegung Maria 2.0 ein. Bisher seien vorrangig die mit der Demut einhergehenden Eigenschaften Mariens in den Fokus gerückt worden, weniger Charakteristika wie die Übernahme von Verantwortung oder eigenständiges Handeln, wie es exemplarisch bei der Hochzeit zu Kana geschildert wird. Hier findet der Familienvater Josef keine Erwähnung, Maria hat wohl die Einladung zur Hochzeit selbst angenommen, sie ergreift die Initiative und sucht Antworten und Lösungen („Tut, was er euch sagt!“). „Das sind Eigenschaften, die Frauen täglich in den Familien und in ihren Arbeitsplätzen leisten. Das soll in der Kirche stärker Berücksichtigung finden“, appellierte der Domvikar. Auch unter eben diesem Aspekt sei die Anrufung Mariens heute zeitgemäß. „Maria wird auch in unserer Zeit eine verlässliche und engagierte Akteurin bleiben. Wir werden den Weg in die Zukunft finden. Wir dürfen auch heute auf Maria bauen – Maria ist eine aufmerksame und verlässliche Helferin“, verbreitete Domvikar Hoffmann Hoffnung. Er bat aber auch, regelmäßig abends das älteste Mariengebet „Unter deinen Schutz und Schirm“ anzustimmen.
Die Dankesworte am Ende des Gottesdienstes sprach Claudia Kern, die Geschäftsführerin der Ackermann-Gemeinde im Erzbistum München und Freising. Sie dankte für die zahlreiche Teilnahme an dieser 75. Wallfahrt bzw. dem Gottesdienst, den viele Jahre federführend die Ackermann-Gemeinde München und Freising organisiert hat. „Mit dem Höhepunkt der 75. Wiederkehr der Wallfahrt bzw. des Gottesdienstes wird sich die Ackermann-Gemeinde aus der Organisation dieser Veranstaltung zurückziehen“, verkündete sie den Schlussstrich zumindest der organisatorischen Abwicklung seitens der Ackermann-Gemeinde. Ob es 2022 in Altötting eine sudetendeutsche Wallfahrt oder einen entsprechenden Gottesdienst geben wird, eventuell dann unter einer anderen Trägerschaft und Verantwortung, wird man sehen.
Markus Bauer