Selbständige und unabhängige Frauen im Mittelalter

September-Zoom der Ackermann-Gemeinde beleuchtete einige tschechische Beispiele

Selbständige und unabhängige Frauen im Mittelalter

September-Zoom der Ackermann-Gemeinde beleuchtete einige tschechische Beispiele

Ursprünglich sollte die neue Generalkonsulin der Tschechischen Republik in München, Dr. Ivana Červenková, beim September-Themenzoom der Ackermann-Gemeinde die tschechische Ratspräsidentschaft beleuchten. Aus terminlichen Gründen musste sie aber kurzfristig absagen. So sprang Miriam Kolářová, die Direktorin des Museums der Altbrünner Abtei, in die Bresche und bot den an 42 Bildschirmen versammelten Interessenten einen kulturhistorischen Vortrag: „Unabhängige Frauen im tschechischen Mittelalter – die weiblichen Ahnen Gregor Mendels“. Heuer, wo der 200. Geburtstag Mendels mit vielen Veranstaltungen gewürdigt wird, sollte auch dieser Aspekt beleuchtet werden.

Daher teilten sich auch Rainer Karlitschek und Sandra Uhlich die Moderation. Kolářová hat im Rahmen ihres Studiums der Kunstgeschichte an der Karls-Universität in Prag mehrere Studienaufenthalte in Wien, Berlin und Konstanz absolviert. Zudem war sie einige Jahre stellvertretende Bürgermeisterin des Stadtteils Brünn Nord. Mit diesen sehr bedeutsamen Frauenfiguren setzt sich die Referentin auch in ihrer derzeit erarbeiteten Dissertation auseinander.

Einleitend stellte Kolářová fest, dass auch im Mittelalter die meisten Frauen die gleichen Rollen wie heute (Mutter, Großmutter, Tochter, Schwester) innegehabt hätten und in diesen Rollen respektiert wurden. „Ihr Hauptmerkmal war jedoch ihr Beruf – sie waren entweder adelige Ehefrauen (meist Königinnen) oder Nonnen. Diese Frauen müssen also von Natur aus sehr wohlhabend gewesen sein und verwirklichten ihre Führungsambitionen vor allem durch die Gründung von Klöstern“, erklärte die Museumsdirektorin und vertiefte mit einigen Beispielen diese Gegebenheit.

Für Fürstin Mlada Přemsylovna (930/935 – 994), die jüngere Tochter von Fürst Boleslav I. und (wahrscheinlich) seiner Frau Biagota sowie Tante der Heiligen Agnes, war nach altem Brauch eine geistliche Laufbahn vorgesehen. Da es bis dahin in Böhmen kein Kloster gab, sollte sie im Rahmen einer christlich-diplomatischen Reise nach Rom dies dem Vatikan unterbreiten. Doch sie erhielt (wohl) den Auftrag zur Gründung eines Bistums in Prag. Mit einem Gefolge von Jungfrauen kehrte sie nach Prag zurück und gründete hier das erste böhmische Kloster (St. Georg, erstes weibliches Benediktiner-Kloster) auf der Prager Burg, wo sie im Jahr 976 auch die erste Äbtissin wurde. „Als Äbtissin leitete Mlada dann den Umbau der Kirche in eine Klosterkirche und ließ neue Gebäude für den Betrieb des Klosters errichten, das dank seiner privilegierten Lage weniger vom Einfluss der äußeren Kirchenhierarchie abhängig war“, erläuterte Kolářová. Sie erklärte auch, dass das Georgs-Kloster stets als königliche Stiftung galt, was bedeutete, dass die Äbtissinnen oft Premysliden-Fürstinnen waren. „Äbtissinnen hatten seit jeher eine privilegierte Stellung innerhalb des böhmischen Königreichs: sie hatten unter anderem das Recht, böhmische Königinnen zu krönen“, ergänzte die Referentin. Mit Bildern des Klosters und der Basilika St. Georg in Prag, einer weiteren bedeutenden Äbtissin (Kunigunde von Böhmen, 1265 – 1321) und der Heiligen Ludmilla illustrierte sie diesen Teil ihres Vortrags.

Das erste weibliche Zisterzienserkloster (Himmelstor – porta coeli) in Předklášteří bei Tišnov (unweit von Brünn) gründete dann Königin Konstanze von Ungarn, nachdem ihr Ehemann König Přemysl Otakar I. im Jahr 1230 gestorben war und sie sich ganz der geistlichen Arbeit widmen konnte. Sie wurde auch Äbtissin des Klosters. Allerdings sind die Zisterzienserklöster – trotz des Grundgedankens der Bescheidenheit – mit reichen Verzierungen ausgestattet, was Kolářová anhand von Fotos zeigte.

Eines der Kinder von König Premysl Otakar I. und Königin Konstanze war die Heilige Agnes von Böhmen. Sie wuchs in einem Zisterzienser- und Prämonstratenserinnenkloster auf. Nachdem mehrere Pläne ihres Vaters, sie mit Vertretern anderer Königshäuser zu verheiraten, gescheitert waren, beschloss Agnes, nicht zu heiraten und Nonne zu werden – vorrangig mit dem Ziel von Kloster- bzw. Ordensgründungen. So geht der einzige böhmische Männerorden der Kreuzritter mit dem Roten Stern (Hospitalorden) auf sie zurück. Darüber hinaus gründete sie im Jahr 1234 das Doppelkloster der Klarissen und Minoriten („Na Františku“), wobei sie selbst Äbtissin der Klarissen wurde. Sie war hochgebildet und sprach und schrieb neben Tschechisch auch Latein, Italienisch und Deutsch. Sie korrespondierte mit der Heiligen Klara sowie den Päpsten Gregor IX. und Innozenz IV. und stattete das Kloster mit wertvollen Manuskripten, liturgischen Gewändern und teuren Gewändern aus. Ein wesentliches Verdienst von Agnes war die Verbesserung der Armenfürsorge und des Krankenhauswesens. Mit Abbildungen der Heiligen Agnes schloss die Vortragende diesen Abschnitt.

Ebenfalls in einem Zisterzienserkloster wuchs Königin Elisabeth Richenza auf, die Tochter des polnischen Königs Přemysl und der Prinzessin Rixa (ursprünglich Richenza) von Schweden. Im Jahr 1300 wurde Elisabeth Richenza im Alter von zwölf Jahren mit König Wenzel II. von Böhmen verheiratet. Fünf Jahre später, kurz nach der Geburt der Tochter Anezka, starb Wenzel. Zwei Jahre später wurde sie mit Rudolf von Habsburg verheiratet, der jedoch im Jahr 1307 verstarb. Die Königinwitwe ließ sich in Königgrätz nieder. Später unterstützte sie den bedeutenden böhmischen Adeligen Heinrich von Lipé, der wiederum den neuen böhmischen König Johann von Luxemburg nicht mochte und daher inhaftiert wurde. Auf Drängen Elisabeths wurde Heinrich von Lipé freigelassen, mit ihm zusammen gründete sie in der Altstadt von Brünn ein Zisterzienserkloster. Mit 47 Jahren starb Königin Elisabeth Richenza im Jahr 1335. Und in eben diesem Kloster wirkte 500 Jahre später der Augustiner Johann Gregor Mendel, der Urvater der Vererbungslehre, dessen 200. Geburtstag wir heuer begehen. Am Kloster entsteht übrigens ein neues Denkmal, eine Statue mit dem Titel „Erbse“ des Bildhauers Karel Gargulák.

Alle diese Frauen eint das Thema der starken und unabhängigen Königinnen und Prinzessinnen, die sich trotz ihres schweren Schicksals durch karitative und religiöse Aktivitäten verwirklichten.

Moderator Karlitschek wollte wissen, wie man sich damals „weibliche Macht“ vorstellen könne. Kolářová machte diese Selbständigkeit am Witwenstand fest. „Sie hatten keine Pflichten gegenüber Männern und konnten über alles selbst entscheiden“. Die mehrmalige Ablehnung der Heirat durch die Heilige Agnes begründete die Referentin mit der starken Religiosität von Agnes (und auch der anderen adeligen Frauen), natürlich hänge diese Emanzipation aber auch mit dem Reichtum zusammen. Auch die Gründung und Leitung von Klöstern sei Ausdruck dieser Selbständigkeit. „Was können die Frauen heute von diesen starken Persönlichkeiten lernen“, fragte Sandra Uhlich. Kolářová: „Die Frau muss auf ihren Mut bauen. Mehrmals Witwe in wenigen Jahren – trotzdem waren sie sehr stark und haben Großartiges vollbracht. Die von ihnen gegründeten Klöster sind auch heute noch sehr bedeutend.“ Und nicht zu verschweigen: ohne den im Brünner Klostergarten angelegten Garten hätte Mendel wohl nicht seine Erbsen-Versuche und -Untersuchungen gemacht.

Die Generalkonsulin wird beim Dezember-Zoom der Ackermann-Gemeinde dann Rede und Antwort stehen.

Markus Bauer

Die Kulturarbeit der Ackermann-Gemeinde im Institutum Bohemicum wird gefördert durch das Bayerische Staasministerium für Familie, Arbeit und Soziales.

 

Die Referentin des Zooms: Miriam Kolářová, die Direktorin des Museums der Altbrünner Abtei.
Moderator Rainer Karlitschek bei seiner Begrüßung
Kloster und Basilika des Heiligen Georg in Prag, gegründet von Fürstin Mlada Přemyslovna.
Das von Königin Elisabeth Richenza begründete Kloster in Brünn, wo später Gregor Mendel seine Erblehre begründete.
Die Heilige Agnes als Krankenpflegerin. Darstellung „Puchners Arche“ – spätgotischer Altaraufsatz mit dem Gemälde von Mikuláš Puchner.
Das erste weibliche Zisterzienserkloster (Himmelstor – porta coeli) in Předklášteří bei Tišnov (unweit von Brünn) gegründet von Königin Konstanze von Ungarn.
Die Kulturarbeit der Ackermann-Gemeinde im Institutum Bohemicum wird gefördert durch das Bayerische Staasministerium für Familie, Arbeit und Soziales.