Politischer Denker mit starkem Rückgrat

Dr. Jaroslav Šabata prägte in den vergangen 20 Jahren die Iglauer und Brünner Symposien durch seine Gedanken mit. Am 14. Juni 2012 verstarb er. Seiner wurde beim Brünner Symposium unter dem Titel „Das demokratische Deutschland – Eine Voraussetzung für die demokratische Einigung Europas“ gedacht. Aus verschiedenen Blickwinkeln wurde dabei sein Vermächtnis beleuchtet.

Der Moderator der Podiumsdiskussion, der Diplomat Jan Šícha, schilderte die Zeremonie zum Abschied Šabatas im Brünner Stadttheater. Senatspräsident a.D. Dr. Petr Pithart nannte einige Fakten aus dem Leben und der Tätigkeit Šabatas, wo natürlich der Prager Aufruf aus dem Jahr 1985 besonders heraussticht. „Das war eine präzise Vorhersehung dessen, was später passiert ist“, beurteilte Pithart diesen auch die deutsche Einigung betreffenden Text. „Šabata war ein politischer Denker, kein Politiker“, charakterisierte Pithart den ersten Stiftungsvorsitzenden der Bernard-Bolzano-Stiftung, der bereits an der ersten Brünner Konferenz im Jahr 1991 – damals noch in Iglau – als Mitveranstalter und auch später immer wieder in der Vorbereitung und als Referent teilnahm. Besonders die Kunst, ja Besessenheit Šabatas, die Menschen zusammenzubringen, hob Pithart hervor. „Und uns verband der Widerwille gegen jede Form der Kollektivschuld – und diese anzuerkennen, auch bezüglich der Vertreibung der Deutschen“, nannte der frühere Senatspräsident einen weiteren wichtigen Aspekt im Wirken Šabatas. „Er war ein Mensch, der dafür vorbestimmt war, einen gemeinsamen Nenner zu finden, zu vereinen, zu integrieren“, fasste Pithart zusammen.

Den historischen Kontext des Prager Aufrufs von 1985 – Friedensbewegung im Westen, Menschenrechtsbewegung im Osten – skizzierte der Journalist Jakub Patočka und nannte Šabatas Initiative ein „Helsinki von unten“. Diese Erklärung würde heute noch fesseln, Šabata sei bis heute einer der wichtigsten politischen Denker, so Patočka. Die Wurzeln von Šabatas Denken sah der Journalist in den Jahren 1968/69, aber auch in Masaryks tschechoslowakischem Traum. Auch wenn Šabata politisch nicht immer Erfolg gehabt hat, habe er dennoch „eine Schule des politischen Denkens hinterlassen“, fasste Patočka zusammen.

Der früher als Sozialreferent in der Deutschen Botschaft in Prag wirkende Bernd Felgendreher bezeichnete vor dem Hintergrund der in den 80er Jahren in einigen Ländern Westeuropas vorherrschenden Skepsis bezüglich der deutschen Wiedervereinigung Šabata als „Tabubrecher“. „Er hat viel zur Selbstbestimmung der Deutschen beigetragen“, würdigte Felgendreher das Engagement und insbesondere den Prager Aufruf Šabatas. Als dessen Vermächtnis sieht der ehemalige Dipolmat die gemeinsame Arbeit am demokratischen Europa als Basis für ein friedvolles Zusammenleben auf diesem Kontinent.

Einblick ins Privatleben Jaroslav Šabatas gab dessen Enkel Michael Uhl, der sich vom Opa durchaus inspiriert und beeinflusst fühlt. „Es ist nicht einfach, seine Persönlichkeit ganz zu verstehen. Im Laufe der Zeit erfährt man Nischen, in denen er auch tätig war“, erläuterte Uhl. Eine seiner Aufgaben ist jetzt die Verwaltung der großväterlichen Bibliothek, in der Philosophie-Bücher den Großteil ausmachen. „Er hat viel Kraft aus philosophischen Büchern deutschsprachiger Autoren geschöpft – deutschsprachige Klassiker, aber auch Masaryk“, schilderte Šabatas Enkel. Weiter finden sich in den Regalen viele Bücher über Zeitgeschichte sowie solche von Václav Havel und Václav Klaus, aber auch zahlreiche Abhandlungen über die deutsch-tschechischen Beziehungen. „Er hat tief darüber nachgedacht, er hatte vertriebene Verwandte“, erläuterte Uhl hierzu. Viele Bücher und Texte über Religion las Šabata ebenso wie über Fragen zu Europa und zur Globalisierung – vielfach sogar noch Publikationen aus dem Jahr 2012. „Jeden Morgen hat er zwei Zeitungen und vor allem die Kommentare darin gelesen. Er konnte die zwei Welten – Theoretiker und Praktiker – zusammenbringen“, fasste der Enkel die Leistungen des in der Sozialdemokratie aktiven und beheimateten Jaroslav Šabata zusammen. Als Vermächtnis des Wirkens seines Großvaters nannte er zwei Aspekte: „Es hat Sinn, einen Kampf um die Werte zu führen. Er brachte Dinge voran und hat dabei nie den Rücken gekrümmt.“

 

Markus Bauer

Erinnerten an Dr. Jaroslav Sabata: Enkel<br/ >Michal Uhl (l.) und Weggefährte Dr. Petr Pithart