Pfarrer Burkhard Hose mit Plädoyer für eine offene und durchlässige Kirche

Überaus vielfältig sind die Inhalte, welche die Ackermann-Gemeinde bei ihrem themenzoom am ersten Dienstag im Monat bietet. Bei der jüngsten Online-Veranstaltung, zu der insgesamt wieder 90 Computer zugeschaltet waren, stand die Frage „Kirche. Heimat für alle?“ im Mittelpunkt – erörtert von Pfarrer Burkhard Hose von der Hochschulgemeinde Würzburg. Es ging, kurz gesagt, darum, was Kirche tun kann, um (weiter?) für alle einladend und Heimat gebend sein zu können.

Den Referenten des Abends stellte Moderator Rainer Karlitschek den weit über 100 Teilnehmenden vor. Pfarrer Hose ist ein engagierter Priester, der sich zu dieser Thematik immer wieder zu Wort meldet. Er ist aktiv im „Würzburger Bündnis für Demokratie und Zivilcourage e.V.“ für Toleranz und gegen Ausgrenzung. Als Sprecher des Würzburger Flüchtlingsrates setzt er sich für ein friedliches Zusammenleben von in Deutschland geborenen Menschen, Zugewanderten und Geflüchteten ein. Über seine Erfahrungen in der Flüchtlingsarbeit und seine Vision von einem gelingenden Miteinander hat er sein erstes Buch geschrieben, das im Oktober 2016 im adeo-Verlag unter dem Titel „Aufstehen für ein neues Wir“ erschienen ist. Im Juli 2018 folgte im Vier-Türme-Verlag das zweite Buch: „Seid laut! Für ein politisch engagiertes Christentum“, im Oktober 2019 „Warum wir aufhören sollten, die Kirche zu retten. Für eine neue Vision von Christsein“ und im März 2020 im Echter-Verlag „Es reicht. Auf dem Weg zu einer neuen Kultur des Teilens“. Seit März 2021 ist sein neuestes Buch im Handel. Es trägt den Titel „Systemrelevant. Neue Maßstäbe für unsere Gesellschaft“. Zuletzt initiierte Pfarrer Hose eine Petition, mit der er sich für eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare stark macht. Zur Ackermann-Gemeinde hat er einen Bezug über den früheren Würzburger Diözesanvorsitzenden Hans-Peter Dörr, der Lehrerkollege von Hose an der St.-Ursula-Schule Würzburg war. Eine weitere Parallele ist die Verleihung des Würzburger Friedenspreises: 2014 erhielt diese Auszeichnung Pfarrer Hose für sein Engagement gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung. 1998 wurde die Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde in Würzburg mit der gleichen Würdigung bedacht – für die deutsch-tschechische Jugendbegegnungen zwischen Würzburg und Mährisch Schönberg/Šumperk.

In seinem Statement las Pfarrer Hose zunächst Passagen aus seinem Buch „Warum wir aufhören sollten, die Kirche zu retten. Für eine neue Vision von Christsein“ vor und verband das mit Erläuterungen und Kommentaren. Als ersten Gedanken nannte er den Aspekt „Mitgliedschaft“: kann man die Zugehörigkeit zur Kirche mit der Mitgliedschaft beispielsweise in einem Fitnessstudio vergleichen? Der Geistliche schilderte Erfahrungen mit weniger eifrigen oder Nicht-Kirchgängern, mit Kontakten vieler Menschen zur Kirche (fast nur) bei wichtigen Lebensereignissen und dem meist Wegbleiben der Kinder nach der Erstkommunion hinsichtlich kirchlicher Angebote und eines Engagements in Gruppen. Daraus schloss der Referent, dass das Modell der Mitgliedschaft und Zugehörigkeit zwei verschiedene Dinge sind und der Faktor „Beheimatung in der Kirche“ vielfach vernachlässigt wird. Als weiteres Widerspruchspaar nannte er die Pflicht zum Gottesdienstbesuch und Serviceangebote der Kirche, die „eher mager“ seien. „Das Modell der Vereinsmitgliedschaft ist wenig tauglich, die Kirche ist anders als ein Verein. Mitgliedschaft ist nur ein Status, sagt aber nichts über die Zugehörigkeit“, fasste Hose zusammen.

Als dienlich für die aktuellen Probleme brachte Pfarrer Hose die Gruppe der Gottesfürchtigen aus der Anfangszeit der Kirche im 1. Jahrhundert ins Spiel, die sich damals den Christen anschlossen, weil diese einige Vorschriften der Juden nicht hatten. Auch in der Hochschulgemeinde gebe es „viele Gottesfürchtige, die punktuell andocken“ – bei sozialen Projekten oder spirituellen Angeboten. Sogar aus der Kirche Ausgetretene würden die Studentengemeinde unterstützen. Daher plädiert er für eine Offenheit der Kirche, für eine stärkere „Durchlässigkeit der strengen Mitgliedschaft in die Gesellschaft hinein“, orientiert an Werten, wie Schöpfung, Solidarität für Benachteiligte. Zudem werde oft der spirituelle Bereich als glaubwürdig und authentisch erlebt. Vor diesem Hintergrund müsse sich die Kirche als „Volkskirche“ verstehen, nicht als Kirche der Restlichen, Verbliebenen. „Wir müssen immer offen sein zu den Menschen, die nur ab und zu Kontakt suchen“, forderte der Würzburger Geistliche eine Kirche, die Heimat für alle sein könne – auch punktuell, zu bestimmten Anlässen.

Abschließend wies Pfarrer Hose auf die zunehmende Heimatlosigkeit und Entfremdung selbst hauptamtlicher Kirchenmitarbeiter hin, verursacht unter anderem durch die Missbrauchsereignisse oder die Missachtung von Rechten in der Kirche. Beispielhaft hierfür steht die „Initiative Maria 2.0“. „Das sind Bewegungen aus der Mitte der Kirche. Die meinen es ernst, das könnte gefährlich werden für das Fortbestehen der Kirche“, verdeutlichte der Priester. Für ihn klaffen auch Anfragen aus der Gesellschaft und Inhalte der kirchlichen Lehre immer mehr auseinander – etwa bei der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. In diesem Punkt hält Hose eine Änderung der Lehre, eine Weiterentwicklung der Kirche für dringend geboten. „Ziel muss es sein, den Menschen von heute die Botschaft Jesu zu öffnen, einen Zugang zu bieten. Die Botschaft Jesu hatte eine andere Intention als die Gründung der Kirche – nämlich die Veränderung der Welt. Daher geht es darum, die Relevanz der Botschaft Jesu für die gesamte Gesellschaft sichtbar zu machen“, schloss der Geistliche seinen Input.

In den Diskussionsbeiträgen ging es um den Macht- und Einflussaspekt in der Kirche auf den verschiedenen Ebenen, um den Wahrheitsbegriff, um den Beginn der kirchlichen Beheimatung bei Kindern, um den Begriff „Volkskirche“ und um den Synodalen Weg. Pfarrer Hose setzte sich für eine Stärkung demokratischer Elemente in der Kirche und damit für eine andere Machtverteilung ein. Beim Thema „Wahrheit“ verwies er auf den Erkenntnisfortschritt, den die Kirche in anderen Themenfeldern ja bereits in ihre Lehre aufgenommen hat. Volkskirche ist für Hose nicht der Rest oder die verbliebenen Aufrechten mit einer „Gefahr der Versektung“, sondern die Kirche, die „offen und durchlässig an der Grenze für weitere Menschen ist – mit punktueller Verbindung“. Mit Blick auf den Synodalen Weg hofft der Würzburger Priester, „dass die Anwesenheit von Betroffenen des Missbrauchs eine Veränderung der Gesprächsprozesse und Nachdenklichkeit auch bei Bischöfen“ mit sich bringt. Er wandte sich gegen Kirchenaustritte, da danach „keine Handlungsmöglichkeiten mehr“ bestünden.

Markus Bauer

Burkhard Hose KHG Würzburg
Pfarrer Burkhard Hose bei seinem Statement. (screenshots M. Bauer)
themenzoom
Ein Teil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim jüngsten themenzoom der Ackermann-Gemeinde.
Moderator Rainer Karlitschek themenzoom
Moderator Rainer Karlitschek bündelte die Fragen und Anmerkungen des Publikums.
Johanna Bromm
Eine von mehreren Diskussionsteilnehmern: Johanna Bromm.