Kultur-Zoom der Ackermann-Gemeinde über den „Brückenbauer“

An 47 PCs in Deutschland und Tschechien verfolgten am ersten Dienstag im Mai (heuer am 2. Mai) den Kultur-Zoom der Ackermann-Gemeinde. Diesmal ging es um die einige Tage später, am 5. Mai, in Prag eröffnete Ausstellung „Und wenn die Wahrheit mich vernichtet …“, die dem im KZ Dachau verstorbenen und 2019 selig gesprochenen Pater Richard Henkes gewidmet ist. Die Initiatoren der Ausstellung und der damit verbundenen Graphic Documentary Andreas Thelen-Eiselen (Referent für Religionspädagogik im Bistum Limburg) und Martin W. Ramb (Schulamtsdirektor im Kirchendienst, Leitung der Abteilung Religionspädagogik, Medien und Kultur im Bischöflichen Ordinariat Limburg) gaben darüber Auskunft.

Das Leben und Wirken des Seligen Pater Richard Henkes als Graphic Documentary

 

Moderatorin Sandra Uhlich wies in ihrer Einführung darauf hin, dass der Pallottiner-Pater Richard Henkes auch in der Wanderausstellung der Ackermann-Gemeinde „Zeugen für Menschlichkeit“ gewürdigt wird. Mit der neuartigen Aufarbeitung des Lebensweges liege eine Beschreibung der Vita Henkes für Jugendliche und für den Religionsunterricht vor.

Über die rund 120 Schülerinnen und Schüler aus Deutschland und Tschechien, die zu der Ausstellung in Prag angemeldet waren, freute sich Andreas Thelen-Eiselen. Er zeichnete kurz das Leben und Wirken des aus dem Westerwald stammenden Richard Henkes (1900 – 1945) nach, dessen Eltern einen Krämerladen und eine Landwirtschaft betrieben. Schon früh zeigte er Interesse an der Mission, 1912 gab es erste Kontakte nach Vallendar (Zentrum der Pallottiner), doch von Juni bis November 1918 musste der junge Richard Henkes als Soldat in den Krieg – ein halbes Jahr, das ihn stark prägte. Sein Interesse galt besonders den Soldaten-Sodalen. „Er wurde in der Infanterie geläutert, zum Schluss hatte er keine Begeisterung mehr vom Krieg. Ein Bruder war verletzt, Freunde waren tot“, erläuterte Thelen-Eiselen. Henkes trat 1919 ins Noviziat der Pallottiner ein, begann das Studium der Philosophie und Theologie und empfing am 6. Juni 1925 das Sakrament der Priesterweihe. Nach einer Seelen- bzw. Berufungskrise begann er seinen Dienst im Schulwesen bzw. pädagogischen Bereich (Lehrer, Prediger, Exerzitienmeister). Nach einer TBC-Erkrankung und längeren Behandlung bzw. Genesung (1927/28) und vor dem Hintergrund des Kontaktes zu einer jungen Frau in Ahrweiler wurde Henkes nach Oberschlesien versetzt, wo er – wie später auch in Strandorf – als Lehrer und Prediger (z.B. Wallfahrtspredigten auf dem Annaberg) sehr beliebt war. Da er aber auch kein Blatt vor den Mund nahm, d.h. deutlich seine Meinung – auch in Bezug auf die NS-Politik und
-Machthaber) – kundtat, geriet er bald ins Blickfeld der Nationalsozialisten. Seine Vorgesetzten zogen ihn vom Schuldienst und schließlich aus Schlesien ab. Im Jahr 1941 kam Henkes als Pfarrverwalter nach Strandorf/Strahovice (Hultschiner Ländchen), aber auch hier bezog er offensiv Stellung zur antichristlichen Propaganda der Nazis. Hatte ihn zuvor das Amnestiegesetz noch vor einer Verhaftung geschützt, so geriet er jetzt – 8. April 1943 – in Schutzhaft und schließlich ins Konzentrationslager nach Dachau. Hier lernte Pater Henkes den späteren Prager Kardinal Josef Beran kennen, war mit ihm befreundet und lernte heimlich Tschechisch, weil er fest daran glaubte, nach seiner Zeit im KZ Dachau in seine alte Pfarrei zurückkehren zu können. In Dachau wurde er zum Zeugen der Nächstenliebe und Kämpfer für die Menschenwürde. „Die Grausamkeiten kann man nur erahnen. Tiefes Gottvertrauen hat ihn durch die Zeit im KZ getragen“, charakterisierte der Referent diese Zeit. Henkes pflegte tschechische Mithäftlinge, bis er selbst an Typhus erkrankte und am 22. Februar 1945 starb. Am 15. September 2019 wurde Pater Henkes als Märtyrer der Nächstenliebe im Limburger Dom seliggesprochen.

Im zweiten Teil erläuterte Martin W. Ramb die Darstellungsformen „Graphic Novel“ (Comic im Buchformat, eine inzwischen anerkannte Literaturform) und „Graphic Documentary“. Diese Form „schafft das, was reine Literatur nicht schafft. Das zusätzliche Bild vermittelt Tiefe, Unmittelbarkeit“, erklärte Ramb. Und genau das sei ein geeignetes Instrumentarium für Schule und Jugendarbeit. Unabdingbar sei jedoch ein guter Zeichner/Grafiker, der auch noch die entsprechende Geschichte entwickelt bzw. sich dem vorgegebenen Thema öffnet, sich in dieses einarbeitet. Und da kam der Trickfilmzeichner Volker Schlecht alias Drushba Pankow (Illustratorenkollektiv) ins Spiel, der das Leben Henkes in eine Graphic Documentary umsetzte. „Die Resonanz war sehr positiv“, blickte Ramb zurück. So entstand die Idee, eine Auswahl der Comics großformatig als Basis für eine Ausstellung zu verwenden – 40 große Tafeln. Und irgendwann lag es dann nahe, die Ausstellung auch in Tschechien zu zeigen und ins Tschechische zu übersetzen. Im Oktober letzten Jahres war sie in Rom zu sehen, nun also in der tschechischen Hauptstadt Prag. Letztendlich soll es folgende Elemente geben: Grafic Documentary, Ausstellung, Audio-Video-Guide sowie eine erweiterte Schülerausgabe mit Lehrerhandreichungen und eine fächerübergreifende Homepage mit vielen Audio- und Videoelementen. Mittelfristig ist auch an eine englische Version gedacht.

Von der Teilnahme mehrerer deutscher Schulklassen erhoffen sich Ramb und Thelen-Eiselen Schulpartnerschaften. Die Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde war übrigens bei der Organisation der Stadtrallye mit im Boot. Die Ausstellung kann auch ausgeliehen werden.

Markus Bauer

Andreas Thelen-Eiselen bei seinen Ausführungen.
Auszug aus der Ausstellung – Der Wahrheit verpflichtet.
Martin W. Ramb bei seinem Vortrag.
Auszug aus der Ausstellung – Blick ins Jahr 1925.
Die Kulturarbeit der Ackermann-Gemeinde im Institutum Bohemicum wird gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales.