Klimawandel: Unterschiedliche Diskussionen in Deutschland und Tschechien Zoom der Ackermann-Gemeinde über Energiewende, Atomkraft und weitere Themen

„Ackermann-Zoom“ heißt seit Jahresbeginn die monatliche Online-Veranstaltung jeweils am ersten Dienstag im Monat. Denn nun steht nur noch ein Thema bzw. Vortrag von 20.15 bis 21.15 Uhr auf dem Programm. Zum Februar-Zoom waren 69 Computer zugeschaltet, erstmals in den knapp zwei Jahren ging es um die „Diskussionen in Tschechien über den Klimawandel“.

„Das ist ein deutsch-tschechisches Thema, das wir sonst nicht so auf der Karte hatten. Ökologie und Zukunftsfragen haben wir bisher noch nicht behandelt“, stellte einleitend auch Moderator Rainer Karlitschek fest. Der seit einem Jahr verfügbare Klimapodcast „Karbon“ von Filip Rambousek und Štěpán Vizi bot nun den Aufhänger, um die Thematik im Zoom zu behandeln, zumal in Deutschland und Tschechien die Diskussionen darüber unterschiedlich verlaufen. Diese kämen, so Karlitschek, auch im Podcast zum Tragen. Er stellte die beiden Referenten auch kurz vor. Gemeinsam haben sie im letzten Jahr in Zusammenarbeit mit Radio Prag und der Heinrich-Böll-Stiftung den vielbeachteten, achtteiligen deutsch-tschechischen Klimapodcast „Karbon“ erstellt. In diesem lassen sie auch Expertinnen und Experten aus beiden Ländern zu Wort kommen.  Rambousek und Vizi wirkten zudem im deutsch-tschechischen Jugendforum mit und sind nun journalistisch tätig. Im Jahr 2021 waren sie für den deutsch-tschechischen Journalistenpreis nominiert.

Was ein Podcast genau ist (eine Radioserie, die online verbreitet wird), erläuterte zunächst Vizi, der fast vier Jahre in Tübingen studiert hat. „Zurück in Tschechien, war ich frustriert über die Debatte zum Klimawandel in Tschechien“, blickte er zurück und führte mehrere Presseberichte aus seinem Heimatland an, in denen die EU-Klimapolitik als Bedrohung angesehen wurde, gegen die man sich verteidigen müsse. Vizi zitierte Aussagen des damaligen Ministerpräsidenten Andrej Babiš und von Staatspräsident Miloš Zeman, stellte aber auch Veränderungen im Meinungsbild der tschechischen Bevölkerung sowie mehr Diskussionen über den Klimawandel fest. „Aber die Experten bekommen wenig Raum, die Diskussion wird vor allem von den Politikern belegt“, so Vizi. Ferner würden immer wieder Mythen verbreitet: hohe Kosten für die Energiewende bzw. den Wirtschaftswandel, Tschechien als kleines Land könne wenig beitragen. Solche Aussagen seien Anlass für die Podcasts, in denen dann auch Gegenargumente, Stellungnahmen von Experten aus Deutschland und Tschechien sowie Positivbeispiele aufgezeigt werden.

Das erste Podcast-Thema war die Kernenergie, bei der die Ausgangssituation und auch die Diskussion in beiden Ländern völlig unterschiedlich ist. Ein weiteres Themen war die Energiewirtschaft und deren Zukunft (Energiewende), d.h. Planungen und Strategien im Blick auf die nächsten zehn bis dreißig Jahre (CO2-Freiheit, Reduzierung der Emissionen, Ariadne-Projekt usw.). Ebenso widmete sich ein Podcast den erneuerbaren Energien als „wichtiger Bestandteil der Transformation“, so der Referent. Die regenerativen Energien müssten allerdings legislativ und finanziell unterstützt werden. Für Deutschland nannte Vizi einen Anteil von fast 50 Prozent beim Strom durch erneuerbare Quellen, in Tschechien seien es maximal 15 Prozent. Als Grund für diese niedrige Zahl nannte er einen Boom vor etwa zwölf Jahren, bei dem aber wegen der damaligen Förderbedingungen fast nur kapitalstarke Firmen Nutzen zogen. „Die erneuerbaren Energien haben bis heute einen schlechten Ruf in Tschechien“, fasste er zu diesem Thema zusammen. Weitere Folgen des Podcast thematisierten die Landwirtschaft (große Flächen sowohl in den ostdeutschen Bundesländern als auch in Tschechien – schwierig für Biodiversität, CO2-Absorption usw.), den Strukturwandel (Kohle- bzw. Bergbau) und die Abfallproblematik (Recyclen, Wegwerfgesellschaft).

Abschließend äußerten sich Rambousek und Vizi zur Rolle der Experten, deren Bezug zur Politik und zu den Medien – und damit verbunden zur Forschungslandschaft. „Es ist einfacher, gute Experten in Deutschland zu finden, die auch Sinn für Politik haben“, lautete ihr Fazit. Dies hänge auch mit Instituten und deren Größe und Bekanntheit zusammen. Diese Aspekte seien in Deutschland meist besser ausgeprägt als in Tschechien. Daher erfolge in Tschechien oft eine Zusammenarbeit mit Leuten aus der Zivilgesellschaft. „Es ist ein asymmetrisches Verhältnis. Aber es hat sich in den letzten zwei, drei Jahren auch vieles verändert und verbessert – auch durch Fridays for future. Aber die Zusammenhänge mit anderen Themen sind den Leuten in Tschechien oft nicht bewusst. Der Klimawandel und die damit zusammenhängenden Faktoren haben mit allen Aspekten des Lebens zu tun“, schlossen die Podcaster ihren Vortrag.

In der Diskussion fragte Moderator Karlitschek nach der weitgehend untergegangenen Rolle der Grünen in Tschechien. „Der Klimawandel war kein Thema im Wahlkampf“, stellte Vizi fest. Grüne Themen hätten vor allem die Piraten übernommen bzw. „alle Parteien hatten solche Inhalte in ihren Wahlprogrammen“, vertiefte er. Auf das Vorsorgeprinzip beim Bau von Atomkraftwerken verwies Reinhard Forst. In Tschechien mache sich niemand Sorgen wegen der Sicherheit der AKWs, im Gegenteil: es herrsche vielfach die Meinung, um die Kernkraft kämpfen zu müssen, da sonst die tschechische Zukunft bedroht sei. Es gebe aber Stimmen aus der Zivilgesellschaft gegen den Bau neuer AKWs, aber für den weiteren Betrieb der vorhandenen Anlagen. Auf die Frage von Michael Danzer nach der Bürgerbeteiligung (in Deutschland vor allem im Solar- und Windkraftbereich) meinte Filip Rambousek, dass auch in Tschechien die Bürgergesellschaft aktiv sei und letztlich wohl durch EU-Forderungen die Energiewende auch in der Tschechischen Republik greifen werde. Die kirchlich-religiöse Seite sprach Sandra Uhlich mit Verweis auf die Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus an. „Es geht um den Erhalt der Lebensgrundlagen für uns alle“, brachte sie es auf den Punkt.

Dass dieser Ackermann-Zoom und seine Inhalte ein überaus reges Interesse hervorriefen, zeigt neben der Teilnehmerzahl auch die Menge der in den Chat eingetragenen Beiträge: insgesamt 27 Meldungen, von denen nur ein paar wenige auch verbalisiert wurden. Das verdeutlicht, dass das Thema Klimawandel und alle damit zusammenhängenden Aspekte eben brandheiß und -aktuell sind.

Der Podcast steht weiter online zur Verfügung: https://deutsch.radio.cz/node/8714052/o-poradu

Markus Bauer

 

Blick auf einen Teil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Moderator Rainer Karlitschek bei der Begüßung und Einführung.
Štěpán Vizi bei seinem Vortrag.
Filip Rambousek bei seinen Ausführungen.
Sandra Uhlich wies auf die religiös-kirchlichen Aspekte hin.