Karel Kryl: Ein tschechischer Dichter aus München

Mit seinen Liedern begleitete er eine ganze Generation in seiner Heimat Tschechien: Karel Kryl. In diesem Jahr wäre Kryl 70 Jahre alt geworden. Und zwanzig Jahre sind vergangenen seit seinem frühen Tod. Für Ackermann-Gemeinde und Tschechisches Zentrum Anlass an Karel Kryl zu erinnern und zwei unbekannte Seiten dieser großen Persönlichkeit zu beleuchten: Kryl als Dichter und als Münchner.

Früh entdeckte Kryl seine Liebe zu Poesie und Musik. 1968 wurde er mit seinen Protestsongs über Nacht berühmt und daher vom kommunistischen Regime verfolgt. 1969 emigrierte er nach München. Dort arbeitete er zunächst als freier Redakteur, später ab 1983 als fester Mitarbeiter in der tschechoslowakischen Redaktion des Senders Radio Freies Europa. Nach der Samtenen Revolution kehrte er nur für kurze Zeit in seine Heimat zurück. 1994 starb er in Bayern.

Kryl war zu seinen Münchner Zeiten sowohl für die Tschechen im Exil als auch für die Deutschen mit böhmischen Wurzeln von Bedeutung. Marie Talířová aus der Münchner Geschäftstelle der Ackermann-Gemeinde erinnerte daran, dass er bei der von katholischen Sudetendeutschen gegründeten Gemeinschaft und dessen Jugendverband Junge Aktion oft ein willkommener Gast war. „Vielleicht konnte Kryl etwas von dem seelischen Leiden der aus der Heimat Vertriebenen verstehen, da er selbst die bittere Erfahrung der Entwurzelung machen musste“, so Talířová. Kryl sieht sie nicht nur als ein Symbol der tschechischen Protestsonggeneration, sondern auch als „kulturellen Berührungspunkt zwischen Deutschen und Tschechen.“

Marlene Kryl, die Ehefrau von Karel, stammt aus München und lernte ihren späteren Mann bei ihrer Arbeit in einer Bank kennen. Anschaulich berichtet sich vom Zusammenleben in München und sieht Karel Kryl auch als einen „Münchner“. Gerade die Orte um den Wiener Platz und an der Isar verbindet sie mit ihrem verstorbenen Mann. Das Leben in München und seine Reisen spiegeln sich auch in seinen Gedichten und Liedern wider. Auch mit der bayerischen Sprache freundete sich Kryl an und verwendete sie spielerisch in unveröffentlichten Versen, erinnert sich Marlene Kryl.

Zu wenig Beachtung habe Kryl bislang als Dichter erfahren, wertet der diesjährige Karel-Čapek-Preisträger Jan Šulc. „Karel Kryl wartet noch darauf in die tschechische Literaturgeschichte der Nachkriegszeit eingeordnet zu werden.“ Sein lyrisches Werk begann er in den 1960er Jahren, einen Großteil der Werke habe er aber in seiner Münchner Zeit verfasst, so Šulc. Kryl sei es als Dichter um eine kultivierte Sprache, Genauigkeit und einen reichen Wortschatz gegangen. Schreiben in freien Versen „erschien ihm zu einfach“, erläuterte der Herausgeber tschechischer Literatur Šulc Kryls Poesie. Seine Gedichte kreisten um Liebe, philosophische und existentielle Gedanken. Aber auch lustige Werke mit Anklängen an die tschechische Folklore oder Reisepoesie hat Kryl verfasst. Šulc hob hervor, wie „großartig“ Kryl seine Gedichte vortragen konnte. Dabei sei ihm seine Erfahrung in frühen Jahren als Schauspieler in Telipce/Teplitz und als Radioredakteur zugute gekommen. Immer wieder taucht in Kryls Werken auch die Frage nach Heimat auf. Diese habe ihn auch noch beschäftigt, nachdem ihm nach 1989 wieder Reisen in die Tschechoslowakei möglich waren.

Jüngst erschienen ist ein Mitschnitt von einem Konzert in München aus dem Jahre 1982. Mit dem tschechisch-polnisch-deutschen Abend im "Haus der Begegnung" brachte Kryl seine Unterstützung der Solidarność in Polen zum Ausdruck. Dass er damals an einem kalten Abend trotz einer Erkrankung auftrat, zeige, dass er nicht nur für das tschechische Publikum, sondern auch für sein deutsche Umfeld und die polnischen Freunde da war, erinnert sich Marlene Kryl an ihren Mann. Der veröffentliche Mitschnitt ist die erste Live-CD Kryls, die ein komplettes Konzert beinhaltet. Sie zeige so die Dramaturgie seiner Auftritte, hob Šluc die Bedeutung der Neuerscheinung hervor. Dort zu hören sind erstmals auch Lieder, die von Kryl in deutscher und polnischer Sprache dargeboten werden. Bei einigen handle es sich um Übersetzung von tschechischen Texten, erläutert Sulc, der als Herausgeber der Werke Kryls fungiert. Das Lied "Die innerdeutsche Frage" jedoch habe der Liedermacher in Deutsch verfasst. Einige Hörproben aus der neuen Doppel-CD mit dem Titel "Solidarita" beendeten den vom Direktor Ondřej Černý moderierten Abend im überfüllten Saal des Tschechischen Zentrums. Bei den anschließenden Begegnungen konnte man von ehemaligen Kollegen und Weggefährten, die unter den Teilnehmern im Publikum waren, noch einiges über den Menschen und Münchner Karel Kryl erfahren.

ag

Neue Kryl-CD: Mitschnitt von 1982 aus München.