Jüngste deutsch-tschechische Geschichte in Roman verpackt

Sabine Dittrich las beim AG-Kulturzoom aus ihrem Werk „Erben des Schweigens“

Ein Roman, der die deutsch-tschechische Nachbarschaft bzw. die Versöhnung zum Inhalt hat. Stand beim Kulturzoom der Ackermann-Gemeinde am letzten Tag im Juni auf dem Programm. Die Schriftstellerin Sabine Dittrich, die bereits im Kontext „Přemysl Pitter“ bei Veranstaltungen der Ackermann-Gemeinde aktiv war, las einige Passagen aus ihrem Werk „Erben des Schweigens“ und erzählte über ihren Weg, Autorin zu werden und sich genau diesem Themenfeld zu widmen.

 

Dass die Autorin ursprünglich keine deutsch-tschechischen, böhmischen oder mährischen Bezüge hat, verdeutlichte Moderatorin Sandra Uhlich den an 47 Bildschirmen und Telefonen versammelten Zuhörern und -sehern. Die aus Pforzheim stammende und jetzt in Oberfranken lebende Schriftstellerin wollte als 13-Jährige als Ergänzung zu vielen anderen Brieffreundschaften auch eine Richtung Tschechoslowakei begründen und bekam Kontakt zu einer jungen Tschechin. „Am Anfang konnten wir uns nur Briefe schreiben. Ihre Briefe an mich waren aufgedampft, waren also geöffnet und wieder zugeklebt worden. Der Geheimdienst hat mitgelesen“, schilderte Dittrich diese Phase. Nach der Wende 1989/90 waren persönliche Treffen möglich und so auch Gespräche mit tieferen Inhalten. Daraus entwickelte sich das Interesse für die deutsch-tschechische Geschichte – obwohl Dittrich oberschlesische Wurzeln hat. Sie konnte die unterschiedlichen Meinungen auf deutscher wie auf tschechischer Seite an den Erlebnissen und Gesprächen mit ihrer tschechischen (Brief)Freundin messen und vergleichen. Schon damals ist bei ihr die Idee entstanden, zu diesem Thema einen Roman zu schreiben. Der Kontakt zur tschechischen Freundin erweiterte sich im Laufe der Zeit auch auf die zwei Familien und Kinder mit gemeinsamen Urlauben und intensiverem Kennenlernen des jeweils anderen Landes. „Die nächste Generation ist schon mit eingebunden und wir sind alle mit Herz dabei“, fasste die Autorin diese prägenden privaten Bezüge zusammen.

Ihr bereits 2013 in erster und 2015 in zweiter Auflage erschienener Roman „Erben des Schweigens“ liegt in drei Sprachen vor: Deutsch, Tschechisch und Esperanto – wobei die Esperanto-Fassung aufgrund der nötigen Erklärungen deutsch-tschechischer Aspekte viel umfangreicher ist. Zur Recherche las sie viele Zeitzeugenberichte, es spiegeln sich also auch – verkürzt – wahre Lebensgeschichten in dem Roman. Der Ausgangspunkt in der Erzählung ist, dass die selbstständige Grafikerin Jael Winterstejn bei einem Sommerspaziergang im Rheintal zufällig einen Grabstein entdeckt, auf dem ihr Name steht. Sie will natürlich die Hintergründe wissen, und bei der Suche landet sie im früheren Sudetenland und in Prag und damit bei der jüngsten deutsch-tschechischen Geschichte mit ihren Katastrophen. Sie lernt den Tschechen Radek kennen und lieben. Auch er will Gewissheit über das Handeln seiner Vorfahren. Die Judenverfolgung und der Holocaust (Theresienstadt) wie auch das Massaker von Lidice kommen zur Sprache, ebenso Dinge wie Sprachkompetenz – und natürlich die Ereignisse am Ende des Zweiten Weltkriegs aus den verschiedenen Perspektiven zum Teil in unterschiedlichen Erzählfäden. So kann sich der Leser gut in die jeweiligen Personen und Sichtweisen hineinversetzen.

Tief beeindruckt, ja berührt zeigte sich Sabine Dittrich von dem Lied „Láska moja“ von Jožo Ráž, in dem es um ein Paar geht, das liebt, aber immer wieder auch verletzt und am Schluss die Versöhnung erfolgt. Dies sei auch auf Nationen übertragbar, „die sich gegenseitig verletzt haben und nun versuchen, sich wieder näher zu kommen“, so die Autorin abschließend.

Markus Bauer

Schriftstellerin Sabine Dittrich bei ihrer Lesung.
Ein Teil der Zuhörer bzw. Zuschauer der Lesung von Sabine Dittrich.
Die Ackermann-Gemeinde e.V. wird für die Kulturarbeit im Institutum Bohemicum aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.