Gutes und Schönes weitergeben

Nach zwei Jahren Pause fand heuer wieder in bewährter Weise vom 31. Juli bis 7. August der inzwischen 31. Rohrer Sommer der Ackermann-Gemeinde in der Benediktiner-Abtei Rohr statt. Coronabedingt hatte diese deutsch-tschechische Kultur- und Begegnungswoche 2020 nur online stattgefunden. Im letzten Jahr diente sie als Vorbereitung auf das grenzüberschreitende große deutsch-tschechische Treffen in Prag.

Höhepunkte waren auch heuer das Konzert in der Abteikirche mit Instrumental- und Vokalwerken aus dem 15. bis 20. Jahrhundert sowie der Bunte Abend mit Präsentation der Arbeitskreisergebnisse.

Für das Leitungsteam hieß Kai Kocher die vielen Zuhörerinnen und Zuhörer im Rohrer Gotteshaus willkommen, Kristýna Kraus übersetzte ins Tschechische. Besonders begrüßte er Prior Frater Franz Neuhausen OSB, Altabt Gregor Zippel OSB und Ortspfarrer Pater Michael Rink OSB. Nach der Vorstellung der Ackermann-Gemeinde und deren lange Verbindung zum Kloster Rohr, das von vertriebenen deutschen Benediktinern der Abtei Braunau in Böhmen am Ort des seit der Säkularisation aufgelassenen Augustinerklosters in Rohr gegründet wurde, ging Kocher auf den Rohrer Sommer ein. „Kultur hat mit der Ackermann-Gemeinde und ihrem Blick auf das Zusammenleben der Deutschen und Tschechen in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu tun. Kultur ist die Pflege dessen, was früher war, heute ist und morgen sein wird in dem Wissen, dass gerade wir es heute sind, die Gutes und Schönes weitergeben. Und das ist das gemeinsame Erbe der Deutschen und Tschechen in Musik, Literatur, bildender Kunst und Kunsthandwerk“, betonte Kocher und freute sich, dass dieser Aufgabe bei der Veranstaltung 83 Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus Tschechien und Deutschland nachgingen.

Ein beachtlicher Teil davon bestritt das Geistliche Konzert. In mehreren Arbeitseinheiten war das Programm in den Tagen zuvor einstudiert worden. Den Auftakt bildete das Orchester des Rohrer Sommers unter Leitung von Simon Ullmann. Zur Aufführung gelangte die Sinfonie in G-Dur VB 19 von Franz-Xaver Richter (1709-1789), der aus Holleschau in Mähren stammte. Das Bläserquintett in der Besetzung Querflöten (Anne Henneberg, Julia Insel), Klarinette (Stefan Henneberg), Horn (Lothar Palsa) und Cello (Simon Ullmann) brachte Joseph Haydns (1732-1809) Divertimento in B-Dur zu Gehör. Von dem in Prag geborenen Johann Georg Neruda (1707-1780) brachte das Quartett Johanna Boehm (Barock-Oboe), Stephanie Kocher (Violine), Simon Ullmann (Cello) und Irina Ullmann (Cembalo) zwei Sätze aus der Sonata II in c-Moll zu Gehör. Das Ave-Maria in a-Dur von Camille Saint-Saëns (1835-1921) sangen die Sopranistinnen Anna Kocher und Dr. Hildegunt Kirschner, von Irina Ullmann am Klavier begleitet. In frühere Jahrhunderte zurück entführte das Blockflötenensemble (Johanna und Julia Boehm, Julia Insel, Kai Kocher, Christa Ullmann) mit Werken von Josquin Desprez (ca. 1450-1521) und John Jenkins (1592-1678). Krönender Abschluss war das Te Deum op. 103 von Antonín Dvořák (1841-1904), intoniert vom Chor des Rohrer Sommers. Die Sopran-Solos sangen  Anna Kocher und Dr. Hildegunt Kirschner, die Bass-Soli Petr Suchomel und Kai Kocher. Die Schlaginstrumente (Pauken, Becken, Triangel) bedienten mit Josef Armot, Elias Ullmann und Konstantin Koch drei junge Kräfte. Die Orgel spielte auch hier Irina Ullmann, die Gesamtleitung oblag Stephanie Kocher.

Einige weitere Arbeitskreise führten beim Abschlussabend ihre erarbeiteten Werke vor. Besonders Buben waren in der von Pavel Kučerka und Karl Sommer geleiteten Arbeitsgruppe „Holzarbeiten“ aktiv. Unter anderem Vogelhäuschen, Autos und Schwerter entstanden dabei. Die Kindersinfonie von Leopold Mozart studierte das junge Orchester unter der Leitung von Zdeněk Talácko ein. Ihre Produkte stellten beim Bunten Abend auch die Aktiven des Arbeitskreises „Kreatives Gestalten“ aus: Körbe, Figuren, Schmuck, Kugeln, Kerzen – in vielerlei Techniken und mit verschiedenen Materialien hergestellt. Markéta Hirschlová und Barbara Hauck leiteten die Gruppe. Der Literaturkreis befasste sich unter der Leitung von Leonhard Fuchs mit „Ota Filip: literarisch-satirisch-tragisch“. Dabei standen das Leben und Werk des in Ostrau geborenen und 1974 ausgebürgerten tschechischsprachigen Schriftstellers im Mittelpunkt. Tschechischen Sagen widmete sich der Literatur-Arbeitskreis für Jugendliche unter Leitung von Kristýna Kraus. Im religiösen Arbeitskreis mit Altabt Zippel wurden anhand ausgewählter Szenen die drei synoptischen Evangelien (Matthäus, Markus, Lukas) mit dem vierten, dem Johannes-Evangelium, verglichen. Zudem bereitete die Arbeitsgruppe den Gottesdienst zum Abschluss vor. Die im Schattenspiel-Arbeitskreis geplante Weiterentwicklung der erstmals 2021 in Prag inszenierten Szenen aus dem Kleinen Wassermann von Otfried Preußler musste krankheitsbedingt abgesagt werden. Dafür studierte Niklas Boehm das Theaterstück „Die Katze ist an allem schuld“ mit zwölf Kindern und Erwachsenen ein. Nicht fehlen durften Volksmusik und Volkstanz mit Paul und Ines Barth, wobei auch ein Line Dance eingeübt wurde. Bei der Musik ging es auch über die bayerisch-böhmischen Gefilde hinaus.

Gut zwei Drittel der Teilnehmer kamen aus Deutschland, vor allem aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Ein Drittel reiste aus Tschechien an. Die Altersspanne ging vom Kleinkind bis zum Senior mit über 80 Jahren. Die sprachliche Verständigung lief neben Deutsch und Tschechisch oft auch über Englisch, wobei viel sofort übersetzt wurde. Aber Musik, Tanz und weitere Kultur verbindet – da ist dann die Sprache zweitrangig.

Markus Bauer

Das Orchester des Rohrer Sommers beim Konzert, geleitet von Simon Ullmann. Foto: Markus Bauer
Das Ave-Maria in a-Dur von Camille Saint-Saëns sangen beim Konzert die Sopranistinnen Anna Kocher und Dr. Hildegunt Kirschner. Foto: Markus Bauer
Das Blockflötenensemble des Rohrer Sommers brachte beim Konzert Stücke von Josquin Desprez und John Jenkins zu Gehör. Foto: Markus Bauer
Der Chor des Rohrer Sommers sang das Te Deum von Antonín Dvořák. Foto: Markus Bauer
Der Chor des Rohrer Sommers sang das Te Deum von Antonín Dvořák. Foto: Markus Bauer
Das junge Orchester unter der Leitung von Zdeněk Talácko spielte beim Bunten Abend. Foto: Ruth Ullmann
Mit tschechischen Sagen hatte sich ein Arbeitskreis befasst. Dazu entstanden auch Zeichnungen, und natürlich wurde auch eine Sage vorgelesen. Foto: Ruth Ullmann
Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer bzw. Arbeitskreisleiter des 31. Rohrer Sommers. Foto: Ruth Ullmann
Kinder, Jugendliche und Erwachsene bestritten den Theater-Arbeitskreis. Foto: Ruth Ullmann
Musik und Gesang war nicht nur im Arbeitskreis bzw. beim Bunten Abend angesagt. Auch beim gemütlichen Zusammensein am Abend wurde eifrig musiziert und gesungen. Mit der Geige Arbeitskreisleiter Paul Barth. Foto: Ruth Ullmann