Glaubwürdigkeit auch und vor allem beim Glauben!

Über die Gegebenheiten – Unterschiede und Parallelen - in Kirche und Gesellschaft in Deutschland, Tschechien und der Slowakei diskutierten beim VI. Symposium „Patrone Europas“ in Passau unter der Moderation von Matthias Dörr (Geschäftsführers des Sozialwerks der Ackermann-Gemeinde) Monsignore Dieter Olbrich (Vorsitzender des Sozialwerks der Ackermann-Gemeinde), Dr. Gabriele Pinkl (Geschäftsführerin des Diözesanrates Passau), Prof. Mag. Dr. Emilia Hrabovec und Erzbischof em Miloslav Kardinal Vlk.

Zunächst konfrontierte Dörr die Gesprächsteilnehmer mit den Anteilen der diversen Konfessionen in den einzelnen Ländern. Die ca. 30 Prozent Christen in Tschechien „sind schwer zu glauben“, stellte der Kardinal fest, da seiner Meinung nach ein guter Teil der Befragten hinsichtlich einer Äußerung unsicher gewesen sei. Ähnliches stellte auch Hrabovec für die Slowakei fest. Hier nahm der Anteil um zehn Prozent im Vergleich zur letzten Volkszählung auf 66 Prozent ab. Die Furcht, nach einer Zuordnung danach zur Kasse gebeten zu werden, habe oft dazu geführt, keine Angaben zu machen. Deutlich werde, dass grundsätzlich zwar für die Kirchen Freiheit bestehe, aber Begriffe wie Neutralität oder Laizität neue Inhalte bekämen. Und das könne durchaus Nachteile für Katholiken zur Folge haben. Auch Monsignore Olbrich relativierte die Zahlen. Aus Schulen in München weiß er, dass zunehmend mehr ungetaufte als getaufte Kinder eingeschult werden. „In München sind noch 31 Prozent im konfessionellen Unterricht, außerdem viele Schüler im katholischen Religionsunterricht, die keinen katholischen Glauben haben. Bei den Personen unter 30 Jahren haben wir keine Mehrheit mehr – München ist keine christliche Stadt mehr. Und von denen, die sich formal katholisch nennen, ist nur ein geringer Prozentsatz praktizierend“, skizzierte der Sozialwerk-Vorsitzende ein nicht so erfreuliches Bild. Den Unterschied zwischen Stadt und Land betonte Gabriele Pirkl. Gemeinschaften und Traditionen würden am Land eher zum Zusammenhalt beitragen. Jedoch sieht auch sie, dass die Sprache und die Inhalte in den Gottesdiensten häufig nicht passen. Hier könne die Räte- bzw. Verbandsarbeit ansetzen als Ergänzung zu den vom Klerus vermittelten Inhalten. Insgesamt ist es für Pinkl wichtig, „für den Glauben zu werben und selbst glaubwürdig zu sein.“

Dies konnte Hrabovec nicht unterschreiben. „Ich glaube nicht, dass mehr Engagement von Einzelpersonen die Krise des Glaubens lösen kann. Nur durch die Stärkung des Glaubens ist das möglich“, hielt sie dagegen und verwies auf den Reichtum des slowakischen Katholizismus, bei dem der Volksglauben und die Volksfrömmigkeit fest verankert sind, ohne große intellektuelle Reflexion. Ihre Empfehlung: „Zurück zu Gott, weg von den menschlichen Maßstäben und Erwartungen – es ist seine (Gottes) Kirche!“ Dies unterstrich auch Kardinal Vlk. „Die katholischen Gläubigen brauchen eine Vertiefung des Glaubens“, drückte er es aus. Für ihn fehlt die Umwandlung des Glaubens ins Leben. In der Praxis könnten das zum Beispiel gläubige Politiker sein – doch davon gibt es in Tschechien zu wenig. Und das Hineinwirken solcher Politiker in die Kultur und Gesellschaft vollzieht sich nach Anischt Vlks zu langsam. Sowohl die Vertiefung des Glaubens als auch das Leben des Glaubens in der Welt gehört für Gabriele Pinkl auf die Tagesordnung. „Ein Bekenntnis schadet niemandem – aber wie ernst nimmt es der Einzelne. Wesentlich ist die Glaubwürdigkeit, doch in der Kirche haben wir wohl eher ein Glaubwürdigkeitsproblem“, verdeutlichte die Diözesanratsgeschäftsführerin.

Den starken Zulauf vor allem bei strengen Orden, was auch eine Radikalität des Glaubens bedeutet, führte Kardinal Vlk ins Feld. Monsignore Olbrich verwies in diesem Kontext auf Jugendaktivitäten jenseits der Verbands- und Gruppenarbeit. Die bisweilen schwierige Glaubwürdigkeit sah er auch in Zusammenhang mit dem Reichtum bzw. den Finanzen, wo bekanntlich einen guten Teil der Staat zahlt. Für eine Hinwendung zu Externen – Nichtgetauften, Ausgetretenen, Kritischen – sprach sich Gabriele Pinkl aus, zumal die Kirche ja bei den diversen Beratungsdiensten ihren Auftrag für alle Menschen sieht.

Die Trägerschaft von Kirchen oder auch Hospizen und Krankenhäusern seitens der Katholischen Kirche fügten hier Emilia Hrabovec und Kardinal Vlk an, wobei – vor allem bei den Schulen – oft die materiellen Rahmenbedingungen nicht so gut sind, der Ruf aber sehr positiv. Auch hier geht es für den früheren Prager Oberhirten darum, „Zeugnis davon abzulegen, welchen Bezug wir Katholiken zu alten und kranken Leuten haben“.

„Was können die jeweiligen Kirchen von den anderen lernen?“ lautete Matthias Dörrs Schlussfrage an die Podiumsteilnehmer. „Die theologischen Fakultäten konnten viel von der Intellektualität, das strukturelle Denken und das Entwickeln von Modellen bei den Deutschen lernen – aber wir sind stolz auf unsere Fakultät mit der starken Anzahl an Priesteramtskandidaten. Der Glaube und die Liebe zur Kirche sind spürbar“, fasste Hrabovec zusammen. Diesem pflichtete Monsignore Olbrich bei, dem in der deutschen Kirche „eine gewisse Innerlichkeit“ fehlt. „Wir haben zu viel Verstand dabei, manchmal zu viel Intellektualität und Kühle“. Hier könne die slowakische Kirche durchaus Vorbild und Ansporn sein. Kardinal Vlk erinnerte an die Aufenthalte in der damaligen DDR, vor allem im Sommer mit großen Gruppen. Auch geistlich hätten diese Besuche viel gebracht – so hat er hier zum Beispiel die Fokolar-Bewegung kennengelernt. Und im Westen bestanden über die Ackermann-Gemeinde ebenfalls viele Kontakte, die für die psychologische Unterstützung wichtig waren. Und unvergessen bleibt dem früheren Oberhirten der brüderliche Austausch mit seinem Passauer Amtsbruder Bischof Franz-Xaver Eder.

Bei der Nennung der über Jahrzehnte laufenden Hilfsaktionen des Sozialwerks der Ackermann-Gemeinde berichteten die Passauer Ackermann-Diözesanvorsitzende Ilse Estermaier und Josef Bonauer über ihre Erfahrungen bei den Kontakten ins Bistum Budweis vor und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.

Markus Bauer

Die Teilnehmer am Kamingespräch: Von links:,<br/> Erzbischof em. Miloslav Kardinal Vlk,<br/> Diözesanratsgeschäftsführerin Dr. Gabriele Pinkl,<br/> Moderator Matthias Dörr, Prof. Mag. Dr. Emilia Hrabovec,<br/> Monsignore Dieter Olbrich.