Gedenken in Dachau zum Münchner Abkommen

An die im Konzentrationslager Dachau getöteten Sudetendeutschen erinnerte anlässlich des 75. Jahrestags der Unterzeichnung des Münchner Abkommens am letzten Septemberdonnerstag die Ackermann-Gemeinde in Zusammenarbeit mit der Katholischen Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte mit einem Gedenkgottesdienst in der Todesangst-Christi-Kapelle sowie der Enthüllung einer Gedenktafel.

Fünf Minuten läutete am 26. September um 12.55 Uhr die Glocke der Todesangst-Christi-Kapelle. „In treuem Gedenken den toten Kameraden aller Nationen gewidmet von Dachau-Priestern und -Laien aus Österreich“ steht auf der Glocke. Diese erinnere, so der Visitator für die Seelsorge an den Sudetendeutschen und Geistliche Beirat der Ackermann-Gemeinde Monsignore Dieter Olbrich, an die Angst, „die die über 200.000 Menschen in diesem Lager von 1933 bis 1945 durchleben und durchleiden mussten“. Er verwies auch auf die 40.000 durch Gewalt, Brutalität und Vernichtungswillen Getöteten.

Für fünf Personen aus den böhmischen Ländern, die im KZ Dachau inhaftiert waren bzw. hier auch starben, entzündeten katholische und evangelische Priester und Laien jeweils eine Kerze, eine weitere Kerze galt allen anderen Opfern. An den an diesem Gedenktag vor 113 Jahren (26. September 1900) geborenen Franz Gruber erinnerte der Bischöfliche Beauftragte für KZ-Gedenkstättenarbeit der Erzdiözese München und Freising Pastoralreferent Ludwig Schmidinger. Schon am 12. Oktober 1938 wurde der in Sattelberg als Holzhauer tätige Gruber verhaftet und als einer der ersten Sudetendeutschen ins Konzentrationslager Dachau gebracht worden, wo er am 24. November 1938, starb. Den katholischen Priester Engelmar Unzeitig, der gegen die Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten eintrat, würdigte der sudetendeutsche Visitator Monsignore Olbrich. Nach Unzeitigs Verhaftung am 21. April 1941 durch die Gestapo kam er – ohne Gerichtsverhandlung – über Linz ins KZ Dachau. Hier pflegte er ab 1944 die an Flecktyphus Erkrankten und spendete Sterbenden die Sterbesakramente. „Andere Häftlinge rettete er vor dem Hungertod, indem er ihnen sein Essen gab“, führte der Visitator aus. Am 2. März 1945, einen Tag nach seinem 34. Geburtstag, starb Unzeitig selbst an Flecktyphus.

Für Josef Kardinal Beran entzündete Probst Monsignore Anton Otte, der Repräsentant der Ackermann in Prag, die Kerze. Nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich im Juni 1942 wurde der spätere Kardinal von den NS-Machthabern als Geisel verhaftet – zunächst im Prager Gefängnis Pankrác. Danach war er in den Konzentrationslagern Theresienstadt und Dachau inhaftiert. „Josef Beran überlebte das KZ, war aber ab 1948 schwersten Ausgrenzungen und Verfolgungen durch die kommunistischen Machthaber in der Tschechoslowakei ausgesetzt, bis hin zur Ausweisung und Verweigerung der Rückkehr nach seiner Kardinalserhebung – bis zu seinem Tod in Rom am 17. Mai 1969. Im Bewusstsein unserer tschechischen Nachbarn gilt er auch als Symbolfigur für die Verfolgung der Kirche im Nationalsozialismus und Kommunismus“, so Otte. Den im Februar 1940 in Prag verhafteten Leiter des Jugendverbandes YMCA Jaroslav Šimsa rief der evangelische Pfarrer in der KZ-Gedenkstätte Dr. Björn Mensing in Erinnerung. Šimsa hatte mit anderen ein Widerstandsnetzwerk gegen die deutschen Besatzer aufgebaut. Nach den Haftstationen Prag, Theresienstadt, München-Stadelheim und Stuttgart wurde er im August 1943 ins KZ Dachau verschleppt, wo er am 8. Februar 1945 an Flecktyphus, hervorgerufen durch die mörderischen Haftbedingungen, verstarb.

Einen Helfer antifaschistischer und jüdischer Flüchtlinge aus Deutschland, Wenzel Bartel, stellte Dr. Jan Heinzl, der Geschäftsführer der Sdružení Ackermann-Gemeinde, vor. Der am 3. Januar 1885 in Weipert geborene und dort als Rentmeister im Stadtamt Tätige verfasste eine gegen den Nationalsozialismus gerichtete Publikation, in der er die in den Konzentrationslagern herrschenden Verhältnisse schilderte. „Noch im September 1938 wurde die Familie des katholischen Sozialdemokraten von den Anhängern der Henlein-Partei überfallen, Wenzel Bartel wurde von der Gestapo über Bärenstein in Sachsen nach Chemnitz verschleppt und in die Konzentrationslager Flossenbürg und Dachau verbracht. Hier kam er am 10. März 1940 im Alter von 55 Jahren ums Leben“, schilderte Heinzl. Für die namenlosen Opfer mit unterschiedlichen Hintergründen der Verfolgung entzündete Pater Klaus Spiegel OSB die sechste Kerze.

Das Ringen um die richtigen Worte an dieser Gedenkstätte stellte Domdekan Prälat Lorenz Wolf, Leiter des Katholischen Büros Bayern, an den Beginn seiner Ansprache. Er verwies auch darauf, dass ihn – obwohl erst 1955 geboren – das KZ Dachau seit seiner Kindheit begleite. Er charakterisierte dieses als „Ort des Grauens“, als „Hinweis auf das Grauen“, wobei die „Dimension des Grauens“ nicht zu verstehen sei. Aber Schweigen sei der größte Fehler, „wir müssen erinnern!“, forderte der Domdekan. Und er erinnerte daran, dass Vertreter der Tschechoslowakei bei der Unterzeichnung des Münchner Abkommens nicht dabei waren und bereits zwei Wochen später deutlich wurde, dass es „nicht um die Freiheit der Sudetendeutschen bzw. der Menschen“ ging. „Nur wenige Tage später wurden 368 Menschen aus dem Sudetenland nach Dachau gebracht“, konkretisierte der Prälat und nannte als weitere Konsequenzen Trennung von Familien, Zerstörung von Völkern, Feindschaft, Krieg und Vertreibung. „Das sind Tatsachen, die wir nicht vergessen dürfen und an die wir erinnern müssen. Aber wir können das Geschehene nicht ändern - aber bedauern, daran leiden. Es geschah ein unendliches Leid und Unrecht, und das macht mich traurig“, so der Leiter des Katholischen Büros. Er riet zum weiteren Schritt von der Trauer zur Versöhnung, „dann gibt es eine Zukunft“. Hier könne besonders der christliche Glaube dazu beitragen, dass die Menschen sich mit Vertrauen begegnen – „im Vertrauen, dass keiner dem anderen etwas Böses antun möchte. Hier können wir von denen lernen, die sich schon lange um die Versöhnung der Völker bemühen. Wenn Menschen aufeinander zugehen, können Gräber zugeschüttet werden“, schloss Wolf seine Predigt.

Im Anschluss an den Gottesdienst wurde im Gedenkraum der Dauerausstellung eine von Arnulf Beierlein gestaltete Bronzetafel zum Gedenken an die sudetendeutschen Opfer enthüllt. Die stellvertretende Bundesvorsitzende der Ackermann-Gemeinde Dorothea Schroth erinnerte daran, dass die „Menschen unter den neuen Machthabern leiden“ mussten. Die Gedenktafel diene der Erinnerung und auch zur Versöhnung. „Wir dürfen nicht aufhören mit der Arbeit der Versöhnung“, erklärte sie. Besonders an „die tschechischen Brüder und Schwestern“ richtete Probst Otte seine Worte. „Das Gedenken soll und will nicht kaschieren, dass ein Großteil unserer Landsleute die Abtrennung eines großen Gebietes frenetisch bejubelt haben“, meinte der Geistliche, der aber auch das Verdienst der hier Inhaftierten und Getöteten betonte. „Dass wenigstens sie treu und solidarisch zu unseren tschechischen Landsleuten geblieben sind und damit treu dem Vermächtnis der böhmischen Krone“. Zusammen mit Dorothea Schroth enthüllte er die Bronzetafel, Schroth und Martin Panten, ebenfalls stellvertretender Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde, legten zudem einen Kranz nieder.

Unter den Teilnehmern beim Gedenken in Dachau waren auch der Europaabgeordnete Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, der Dachauer Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath, die Bundesvorsitzende der Karpatendeutschen Landsmannschaft Brunhilde Reitmeier-Zwick, der Ministerialdirigent im Sozialministerium Paul Hansel, die tschechische Politikerin Michaela Marksová-Tominová und der Vorsitzende des Sudetendeutschen Priesterwerks Msgr. Karl Wuchterl.

Markus Bauer/ag

Zum Gebet versammelten sich die Teilnehmer<br/ >der Gedenkfeier auf dem Gelände des<br/ >ehemaligen KZ Dachau.