„Geborene Brückenbauer zwischen den Völkern“. Tschechische Priester tauschen sich über die Bedeutung der deutschen Sprache für ihr Wirken aus.

Als „wichtige Bausteine auf dem Weg zu gutnachbarschaftlichen Beziehungen“ und „Bindeglieder zwischen West und Ost“ bezeichnete Msgr. Dieter Olbrich, Vorsitzender des Sozialwerks der Ackermann-Gemeinde, die Priester, die jüngst zu einem Seminar im Prager Goethe-Institut zusammengekommen waren. Eingeladen hatte das Sozialwerk ehemalige Teilnehmer an ihren Deutsch-Sprachkursen, um Erfahrungen auszutauschen und die Bedeutung der gewonnen Sprachkenntnisse für ihr Wirken zu reflektieren.

Bald nach der Wende, Anfang der 1990er Jahre, bot das Sozialwerk der Ackermann-Gemeinde erstmals für Priester, Theologiestudenten, Seminaristen und Ordensleute aus der Tschechischen und Slowakischen Republik vierwöchige Deutsch-Intensivsprachkurse an. Die seither jährlich im Juli und August durchgeführten Kurse in Vierzehnheiligen/Bamberg sowie Heidelberg/Eichstätt fanden schnell reges Interesse. Sie sind bis heute gut besucht und fest in der Jahresarbeit des Sozialwerks verankert.

„Ohne Zweifel sind die Kurse, an denen jährlich rund 30 Personen teilnehmen, ein Erfolgsprojekt“, ist sich Olbrich sicher. Dies gelte nicht nur für die Absolventen im Hinblick auf das erreichte sprachliche Niveau, sondern auch für die Verständigung und Versöhnung von Deutschen und Tschechen. Es sei ein Anliegen, mit ihnen nach Ende des Kurses in Verbindung zu bleiben. In den Priestern sieht der Sozialwerks-Vorsitzende „wichtige Multiplikatoren und Akteure für die Versöhnungs- und Partnerschaftsarbeit.“ So seien sie „geborene Brückenbauer zwischen den Völkern“. Zum Seminar nach Prag angereist waren neben den tschechischen und slowakischen Priestern auch die verantwortlichen Personen von der Ackermann-Gemeinde aus Bamberg und Heidelberg, die diese Projekte vor Ort betreuen, sowie eine der Deutschlehrerinnen. Von Prag aus begleitet von Beginn an Msgr. Anton Otte, Repräsentant der Ackermann-Gemeinde in Prag, dieses Angebot.

Der Direktor des Goethe-Instituts, Dr. Heinrich Bloemeke, dankte dem Sozialwerk für sein Engagement im Bereich der Spracharbeit. Daher habe für dieses Reflexionsseminar gerne seinen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Er verwies auf die aktuelle Kampagne „šprechtíme“. Mit dieser Aktion wolle das Institut gemeinsam mit der Deutschen Botschaft und österreichischen Einrichtungen die deutsche Sprache in Tschechien wieder stärker ins Bewusstsein bringen. Scherzhaft verwies er darauf, dass in seinem Gebäude wohl noch nie so viele Priester zeitgleich anwesend waren. Das Haus des Goethe-Instituts direkt am Moldauufer war bis 1945 Sitz einer deutschen Versicherungsgesellschaft und später die Botschaft der DDR.

Dr. Ulrike Lewark, Leiterin der Sprachabteilung des Goethe-Instituts, ging auf die Bedeutung der Vielsprachigkeit im zusammenwachsenden Europa ein. Die Europäische Union habe als Ziel ausgegeben, dass jeder neben seiner Muttersprache noch zwei weitere Sprechen beherrschen sollte. Daher begrüßt sie, dass seit September in Tschechien eine zweite Fremdsprache in der Schule Pflicht sei. Nun müsse man „alles dafür tun, dass sich die Eltern und die Kinder für Deutsch entscheiden.“ Vielleicht gelänge so eine Trendwende. „Seit den 90er Jahren ist die Zahl der Deutschlernenden um 50% zurückgegangen“, konstatiert Lewark. Weiter stellte sie Projekte ihres Instituts mit der deutschen Minderheit in Tschechien vor. „Die deutsche Minderheit ist hochmodern, da sie mehrsprachig ist“, betonte die Mitarbeiterin des Goethe-Instituts.

Im Mittelpunkt des Prager Treffens stand der Austausch der 20 Teilnehmer in Kleingruppen. Sie berichteten von ihren Begegnungen mit deutschen Gästen in ihren Pfarreien. Viele von ihnen wirken im ehemaligen Sudetenland, so dass „Deutschkenntnisse eine Notwendigkeit“ seien, um sich „mit den einstigen deutschen Bewohnern zu verständigen“, berichtet ein Pfarrer aus Nordböhmen. „Die ehemaligen Bewohner kommen sowohl in Gruppen als auch einzeln im Rahmen privater Reisen“. Dank der Sprachkenntnisse konnte er mit ihnen Messen auf Deutsch feiern. Auch bei Forschungen zu den Vorfahren konnte geholfen werden. Ein anderer wiederum verwies darauf, dass ihm das Deutsch für die Seelsorge für die Heimatverbliebenen zu gute komme. Die deutsche Kultur sei „Teil der böhmischen Kultur“, so ein Pfarrer aus dem schlesischen Landesteil. Über die Sprache würden „die Wurzeln der Kultur in den ehemals von Deutschen besiedelten Regionen“ vermittelt.

Auch Unterschiede in den Sichtweisen von Deutschen und Tschechen auf Kirche und Gesellschaft kamen zur Sprache. So seien in Deutschland die Laien aktiver und brächten sich durch Verbände mit zivilgesellschaftlichem Engagement ein. Auch sonst eröffnet die deutsche Sprache einem Priester Möglichkeiten für seinen seelsorgerischen Dienst durch theologische Literatur oder Predigthilfen. „Die theologischen Impulse aus Deutschland sind ein Geschenk für mich“, brachte es ein Teilnehmer auch den Punkt.

Auch für den ehemaligen Prager Erzbischof Kardinal Miloslav Vlk spielt die deutschsprachige theologische Literatur eine wichtige Rolle. Bis heute sei ein Großteil seiner privaten Bibliothek in deutscher Sprache, berichtete der ehemalige Prager Erzbischof den Priestern. Die deutsche Sprache musste er als Kind während der Protektoratszeit lernen. Auch wenn sie nach Kriegsende als „Nazisprache“ galt, habe er sich weiter mit Deutsch beschäftigt. „Die, die die Sprache nicht beherrschen, sind vom Dialog ausgeschlossen,“ hob der Kardinal die große Bedeutung von Fremdsprachenkenntnissen hervor. In seinem sehr persönlich gehaltenen Vortrag zeigte Vlk deutlich, wie ihm die deutsch-tschechische Versöhnung stets ein Herzensanliegen war. Bereits kurz nach seiner Weihe zum Budweiser Bischof habe er sich im Sommer 1990 in einem Hirtenbrief an die ehemalige deutschsprachigen Mitchristen seiner Diözese gewandt, die durch die Vertreibung ihre Heimat verlassen mussten. Auch bei dem Briefwechsel zwischen tschechoslowakischen und deutschen Bischöfen 1990/91 sei er eingebunden gewesen. Vlk präsentierte das jüngst erschiene Buch des tschechischen Kirchenhistoriker Dr. Jarolslav Šebek. Es beleuchtet unter dem Titel „Vom Konflikt zur Versöhnung“ die Rolle der Kirche im deutsch-tschechischen Verhältnis seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Aufgeführt sind darin zentrale kirchliche Dokumente, die bislang oft nicht komplett verfügbar waren, so der ehemalige Prager Oberhirte. So sei das Schreiben von Papst Pius XII. an die tschechische Bischofskonferenz, in dem dieser die bei der Vertreibung der Deutschen angewandte Kollektivschuld verurteilt, bis heute kaum bekannt. Daraufhin habe damals die Bischofskonferenz einen Hirtenbrief verfasst. Weiter ging er in seinen Ausführungen auf wichtige Dokumenten, Erklärungen und Reden aus der katholischen Kirche ein. „Ohne Versöhnung ist keine Möglichkeit, die Zukunft zu gestalten“, mahnte Vlk. An die Ackermann-Gemeinde und die anwesenden Priester gerichtet sagte er: „Mit dem was sie tun, füllen sie das mit Leben, was die Bischöfe aus beiden Ländern in ihren Briefen nach der Wende deklariert haben.“

Ein zweisprachiger Gottesdienst mit Kardinal Vlk in der Kirche „Johannes Nepomuk auf dem Felsen“ am Karlsplatz bildete den Abschluss des Tagesseminars. Der Seelsorger der deutschsprachigen Gemeinde in Prag, P. Dr. Martin Leitgöb, begrüßte die Teilnehmer des Priestertreffens in seiner Kirche und berichtete aus dem Leben der deutschen Gemeinde in Prag. In seiner Predigt stellte Vlk klar, dass wir als „Ebenbilder der Trinität Gottes“ dazu geschaffen seien, füreinander dazu sein und die zwischenmenschlichen Beziehungen zu pflegen. Dies sei für tschechische und deutsche Christen auch ein Auftrag für ein versöhntes Miteinander.

ag

V.l.n.r.: Der Direktor des Prager Goethe-Instituts<br/> Dr. Heinrich Blömeke, der Vorsitzender des Sozialwerks <br/> der Ackermann-Gemeinde Msgr. Dieter Olbrich, <br/> Kardinal Miloslav Vlk, der Repräsentant <br/>der Ackermann-Gemeinde in Prag Msgr. Anton Otte.