Franz Olbert: Wegbereiter der sudetendeutsch-tschechischen Annäherung wird 80

Zahlreiche Schritte sind Sudetendeutsche und Tschechen in den letzten Monaten aufeinander zugegangen. Dies ist ganz im Sinne von Franz Olbert, der am 27. Juli seinen 80. Geburtstag feiert. Durch sein jahrzehntelanges beharrliches und unbeirrtes Wirken als Generalsekretär der Ackermann-Gemeinde und durch seinen unermüdlichen Einsatz für Dialog und Versöhnung hat er maßgeblich am Fundament für die jetzige Entwicklung mitgearbeitet.

Als „eine der zentralen Gestalter der Annäherung zwischen Sudetendeutschen und Tschechen“ sieht der Bundesvorsitzende der Ackermann-Gemeinde, Martin Kastler, den Jubilar. Er sei schon Brückenbauer gewesen, als andere sich den Kontakten noch verweigerten, hebt der ehemalige CSU-Europaabgeordnete die Vorreiterrolle Olberts und der Ackermann-Gemeinde hervor. „Schon lange vor der Wende schuf Franz Olbert neue Kontakte, indem er das tschechische Exil unterstützte und der verfolgten Kirche, Dissidenten und Angehörigen der deutschen Minderheit in der kommunistischen Tschechoslowakei half. Besonders sein Mut, hinter dem Eisernen Vorhang verfolgten Christen und der Untergrundkirche vor Ort zu helfen, verdient höchste Anerkennung,“ betont Kastler, der zugleich europapolitischer Sprecher des ZdK ist. Nach der Samtenen Revolution in der Tschechoslowakei knüpfte Olbert an die Kontakte an und baute daraus ein breites Netzwerk auf. Entstanden sind wichtige Dialogforen, wie von 1990 bis 2002 die Marienbader Gespräche mit der Tschechischen Christlichen Akademie sowie ab 1992 die Iglauer, später Brünner Symposien mit der Bernard-Bolzano-Stiftung. MNit Feingefühl und Respekt warb er gegenüber seinen tschechischen Gesprächspartnern um Verständnis für die Anliegen und Befindlichkeiten der Vertriebenen. In der direkten Nachwendezeit konnte er den tschechischen Ministerpräsidenten Dr. Petr Pithart bei Gesprächen in München, unter anderem mit Ministerpräsident Max Streibl und SL-Sprecher Franz Neubauer, begleiten. Auch einen Besuch des tschechischen Ministers Dr. Jaroslav Šabata im Sudetendeutschen Haus konnte er Anfang der 1990er einfädeln. Dir großen sudetendeutsch-tschechischen Versöhnungsinitiativen im ersten Jahrzehnt nach der Wende sind mit Olberts Namen verbunden. Nach Kastler habe Olbert so  „durch seinen Einsatz den Boden für ein späteres engeres Miteinander auf politischer Ebene vorbereitet“.

 

Franz Olbert, 1935 in Schlettau im Schönhegstgau geboren, ist die prägende Gestalt der Ackermann-Gemeinde. Er steht ganz maßgeblich hinter allen Aktivitäten, durch welche die Ackermann-Gemeinde in den vergangenen Jahrzehnten zur Eingliederung der Vertriebenen, zur Aufarbeitung alten Unrechts und zur Neugestaltung der deutsch-tschechischen und deutsch-slowakischen Nachbarschaft beigetragen hat und beiträgt. Von 1976 bis 1999 wirkte er als deren Generalsekretär. Ebenfalls seit 1976 bis 2011 war er stellvertretender Vorsitzender und ehrenamtlicher Geschäftsführer des Sozialwerks der Ackermann-Gemeinde. Bei seinem Wirken hatte er immer beide Seiten im Auge. Er arbeitete für die Eingliederung der vertriebenen Sudetendeutschen. Dazu gehörte auch sein Beitrag zur Gründung des „Arbeitsausschusses Sozialversicherung e.V.“. Dieser beschaffte für rund 950.000 Sudetendeutsche trotz des Eisernen Vorhangs aus der ČSSR Nachweise über die Einzahlungen bei den Rentenversicherungsträger in der alten Heimat. So konnten diese bei der Rentenberechung entsprechend berücksichtigt werden. Im Rahmen des Sozialwerks half er auch jenen Sudetendeutschen, die das Schicksal in die Sowjetische Besatzungszone verschlagen hatte. Und er vergaß nicht die Heimatverbliebenen. Um ihre geistige Not zu lindern, lud er bald nach der Wende zu kulturellen Begegnungen ein. Aber schon seit den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts ließ er ihnen materielle Hilfen zukommen; noch heute erhalten nicht wenige Bedürftige alljährlich eine finanzielle Weihnachtsgabe. Als Christ sah sich Olbert in besonderer Weise durch die Verfolgung der Kirche unter der kommunistischen Diktatur herausgefordert. Priester und Laien in der damaligen Tschechoslowakei und in der Sowjetischen Besatzungszone hatten in ihm einen Helfer, der mit unerschöpflichem Ideenreichtum immer neue Wege fand, den verfolgten Christen zu helfen und das Überleben der Kirche zu ermöglichen. Damit war zugleich der Boden bereitet, auf dem nach der Wende der Aufbau einer neuen Nachbarschaft gewagt werden konnte.

 

Olbert erkannte schon früh, dass es wichtig ist, auch außerhalb des eigenen Verbandes mitzureden, um so seinen Zielvorstellungen breitere Akzeptanz zu verschaffen. So übernahm er zusätzlich Verantwortung als Vorsitzender des Hauptausschusses der Flüchtlinge und Ausgewiesenen in Bayern, als Mitglied des Landesvorstands der Union der Vertriebenen in Bayern und als Mitglied des Landesvorstands des Bundes der Vertriebenen in Bayern. Innerhalb der katholischen Kirche engagierte er sich als Präsidiumsmitglied des Katholischen Flüchtlingsrates, als Präsidiumsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Vertriebenenorganisationen, als Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, als Mitglied der Menschenrechtskommission der deutschen Sektion von Justitita et Pax und als Mitglied des Aktionsausschusses der Solidaritätsaktion Renovabis. Er war Mitgründer des Internationalen Instituts für Nationalitätenrecht und Regionalismus und der Bernard-Bolzano-Stiftung in Prag.

 

Über viele Jahre gehörte er auch dem Verwaltungsrat des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds an, aus dem Begegnungen und andere deutsch-tschechische Projekte finanziert werden. Die mehrfache Berufung durch die Bundesaußenminister in dieses Gremium zeigt, welch großes internationales Ansehen Olbert genießt. Er scheut sich nicht, auch gegenüber tschechischen Partnern Unrecht anzusprechen. Er will erreichen, dass Geschehenes anerkannt wird. Aber immer will er zugleich den Weg zu einer Versöhnung ebnen.

 

Zwei Persönlichkeiten haben Olbert besonders geprägt. Ein Leitbild war für ihn der Gründer der Ackermann-Gemeinde: Hans Schütz, der sudetendeutsche christliche Gewerkschaftler und spätere bayerische Staatsminister. Olbert ist in seine Fußstapfen getreten und hat sich sein ganzes Leben lang aus christlicher Verantwortung mit Mut und Beharrlichkeit gesellschaftlich und politisch engagiert. Die andere große Persönlichkeit ist Papst Johannes XXIII. Olbert zitiert immer wieder dessen Enzyklika „Pacem in terris“. Aber er zitiert sie nicht nur. Er fühlt sich durch sie herausgefordert, gerade auch bei seiner Arbeit an den deutsch-tschechischen und deutsch-slowakischen Beziehungen.

 

Anerkennung erfuhr Olbert sowohl in Deutschland als auch in Tschechien, in Staat und Kirche. Zahlreiche hohe Auszeichnungen zeugen davon. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer ehrte ihn mit dem Bayerischen Verdienstorden, der Bundespräsidenten mit dem Bundesverdienstkreuz, der tschechische Außenminister mit dem Gratias-Agit-Preis und der tschechische Präsident mit der Verdienstmedaille der Tschechischen Republik. Auch die goldene Adalbert-Medaille des Bistums Prag, die Ernennung zum Komtur des Päpstlichen Silversterordens sowie der Hans-Schütz-Preis, die höchste Auszeichnung der Ackermann-Gemeinde, zeigen, dass Franz Olbert zum 80. zufrieden auf sein Wirken zurückblicken kann.

 

 

Matthias Dörr

Franz Olbert (r.) mit seiner Ehefrau Erika und<br/ >dem AG-Bundesvorsitzenden Martin Kastler<br/ >bei einer Feier im Januar 2015.