Europawallfahrt nach Mariazell

Rund 600 Pilger aus fünf Nationen, aus Deutschland, Österreich, der Slowakei, Slowenien sowie aus Tschechien machten sich Anfang Mai – trotz kalter Temperaturen und Regens – mit Bussen, Privat-PKWs und zu Fuß auf den Weg zur Europawallfahrt nach Mariazell in der Steiermark. Unter der Schirmherrschaft des Wiener Erzbischofs Dr. Christoph Kardinal Schönborn hatte die Ackermann-Gemeinde diese Wallfahrt zur wichtigsten Pilgerstätte Österreichs initiiert und organisiert – auch um im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament für ein friedliches und aus christlichem Geist geprägtes Miteinander in Europa zu beten.

Den Auftakt des Wallfahrtprogramms in Mariazell bildete am Abend des 3. Mai eine Andacht zu den heiligen Patronen Europas. In Vertretung des Superiors hieß der Wallfahrtsseelsorger Pater Václav Steiner OSB die Mitbrüder – besonders den Hauptzelebranten Weihbischof Dr. Reinhard Hauke aus Erfurt – sowie die Andachtsteilnehmer willkommen. Steiners Dank galt der Ackermann-Gemeinde, die „eine wertvolle Arbeit für die Verständigung der Völker vor allem in Mitteleuropa“ leiste. Mariazell und die Basilika beschrieb er als „Ort der Begegnung“ für die Menschen vieler Völker und Nationen, und er dankte den Wallfahrern für ihr Kommen. Auf das „von Gott geknüpfte Band, das alle Grenzen überwindet“, wies Weihbischof Hauke, der als Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge teilnahm, in seiner Begrüßung hin. Im Fokus der Andacht standen die sechs Heiligen Europas: Benedikt von Nursia, Cyrill und Method, Birgitta von Schweden, Katharina von Siena und Edith Stein. Sie wurden kurz in ihrem Wirken vorgestellt und auch die Fürbitten bezogen sich auf sie. An Darstellungen der Europa-Patrone, die von Kirchenfenster aus dem Paderborner Dom stammt, wurden hierzu Kerzen entzündet.

Menschen wieder zueinander bringen

In seiner Predigt nahm Weihbischof Hauke zunächst Bezug auf die sechs Europa-Patrone aus unterschiedlichen Epochen und Gebieten sowie mit verschiedenen geistlichen Berufen, die dennoch eine Tatsache eint. „Sie haben durch ihren Glauben Menschen verschiedener Länder mit Jesus Christus in Verbindung gebracht und in unterschiedlicher Weise Länder und Kulturen zueinander gebracht und damit Europa vorgebildet, wie wir es heute erleben und sehen. Angesichts der bevorstehenden Wahlen zum Europaparlament ist es das Anliegen, die Menschen Europas beieinander zu halten oder wieder zueinander zu bringen: Das ist ein wesentlicher Inhalt unserer Wallfahrt“, führte der Weihbischof aus. Um die Einheit Europas und der Völker der Welt werde, so Weihbischof Hauke weiter, gerade auch hier in Mariazell, konkret am Gnadenbild der „Magna Mater Austriae“ bzw. der „Mater Gentium Slaworum“ seit Jahrhunderten gebetet. Er erwähnte als Pilger exemplarisch Markgraf Heinrich von Mähren und König Ludwig I. von Ungarn. Ebenso ging er auf die Zusammengehörigkeit von Christen durch ihr Bekenntnis zu Jesus Christus, durch die Sakramente und durch verbindende Gedenkorte, wie etwa Mariazell, ein. Hier kämen Gläubige aus mehreren Ländern zusammen, „um länderübergreifend und in verschiedenen Sprachen (…) das Gotteslob zu singen. Wer miteinander das Lob Gottes und der Gottesmutter gesungen hat, ist unfähig zu Feindschaft und Zwietracht“, stellte der Weihbischof fest. Er empfahl, Gebet und Schriftbetrachtung stärker bei Versammlungen außerhalb der Gottesdienste einzusetzen. „Es bahnt sich mit dem gemeinsamen Nachsinnen über die Heilige Schrift eine veränderte Sicht der Probleme an.“ An die Patrone Europas anknüpfend schloss der Weihbischof seine Predigt: „Zu aller Zeit sind wir Christen eingeladen, nach unseren Charismen zu suchen und sie einzubringen. Nicht immer werden wir es dazu bringen, einmal in den großen Kalender der Heiliggesprochenen und Patrone Europas aufgenommen zu werden, aber niemals dürfen wir sagen: ‚Das können wir nicht.‘ Sicherlich können wir es nicht aus eigener Kraft, sondern wie die Apostel, die Frauen, die Schwestern und Brüder in Jersualem können wir es in der Kraft des Heiligen Geistes.“

Mit dem „Gebet für Europa“ von Kardinal Carlo Maria Martini, dem Vater Unser in deutscher und tschechischer Sprache sowie dem Pontifikalsegen endete die am Gnadenbild gefeierte, eindrucksvolle Andacht zu den Patronen Europas.

Christliche Prägung Europas betonen

Die gesamte Basilika war bei der Wallfahrtsmesse am Spätvormittag des 4. Mai besetzt, die Feier des Gottesdienstes fand am Hauptaltar statt. Die zahlreichen Pilger aus den fünf Ländern hieß Superior Pater Dr. Michael Staberl OSB willkommen. „Mariazell ist ein wahrhaft europäischer Ort“, stellte er fest. Als wichtig – gerade jetzt und heute – hielt er es, sich proeuropäisch zu äußern, die christliche Prägung Europas zu betonen und „für eine gute und christliche Zukunft unserer Länder zu beten“. Auch er dankte der Ackermann-Gemeinde für die Initiative zu dieser Europawallfahrt. Der emeritierte Linzer Bischof Dr. Ludwig Schwarz wies in seiner Begrüßung auf das an diesem Tag ebenfalls begangene Gedenken an den Märtyrer Florian, eines österreichischen Heiligen, hin.

Bereichernde Vielfalt in Kultur und Tradition

„Heute gibt es mehr Märtyrer als in den ersten Jahrhunderten. In 38 Ländern weltweit ist die Religionsfreiheit bedroht bzw. gibt es echte Kirchenverfolgung“, knüpfte der frühere Linzer Bischof in seiner Predigt an seine Begrüßung an. Er rief Beispiele aus jüngster Zeit, wie Enthauptung von 21 koptischen Christen im Jahr 2015, die Attentate auf drei Gotteshäuser in Sri Lanka heuer an Ostern, sowie Schikanen und Diskriminierungen in vielen Ländern, wie China, Pakistan, Saudi-Arabien, Nigeria, in Erinnerung. Kurz ging der frühere Oberhirte auf das Leben und Martyrium des Heiligen Florian ein und meinte dazu: „Das Blut der Märtyrer ist kein Verlust, sondern Same für neues Christentum!“ In diesen Kontext schloss Bischof Schwarz auch alle in Lagern oder bei Flucht und Vertreibung gestorbenen Menschen ein. Auch daraus hätten sich „neue Früchte im blutgetränkten Europa“ entwickelt. Heute gelte es besonders, so der Altbischof, die christlichen Wurzeln Europas wieder zum Blühen zu bringen. Er erinnerte an den Beitrag des Heiligen Johannes Paul II. zum Zusammenwachsen Europas. „Als Christen beten wir für eine Einheit, in der die Vielfalt in Kultur und Tradition nicht trennt, sondern bereichert. Hier am Gnadenort Mariazell bekennen wir uns zu den christlichen Werten und den Fundamenten Europas, der Basis für die europäische Einigung“, konkretisierte der Bischof. Er sprach auch von „Jahrzehnten der Gottlosigkeit in Ost und West“, die tiefe Spuren in den Völkern hinterlassen hätten. „Das Christentum in Europa ist entscheidend, ansonsten führt es zu einer Katastrophe. Europa und das Christentum gehören zusammen“, fasste er diesen Aspekt zusammen. Anhand der sechs Europapatrone und weiterer Heiliger zeigte er Beispiele von Personen auf, die an Europa mitgebaut – aber auch auf Maria und durch diese auf Jesus geschaut haben. Auch heute gebe es vielfach „verborgene Heilige. Sie sind heute die Träger der Hoffnung für Europa“, so der emeritierte Oberhirte. Abschließend nannte er mehrere Forderungen bzw. Notwendigkeiten für Europa: „Europa braucht ein eindeutiges Ja zum Leben, den Schutz des menschlichen Lebens von seinem Anfang bis zum natürlichen Tod, mehr Gerechtigkeit und Solidarität sowie Zeiten und Räume für das Heilige (Sonntag!)“. Mit dem Schlusssatz „Christus ist wahrhaft die Hoffnung Europas“ untermauerte der frühere Linzer Bischof die Aussagen seiner Ansprache.

Der Wallfahrtsgottesdienst war in weiten Teilen nicht nur in deutscher und tschechischer, sondern teilweise auch in lateinischer Sprache. Die Austeilung der Heiligen Kommunion umrahmten Stephanie Kocher (Viola), Simon Ullmann (Violincello) und Irina Ullmann (Orgel), nach dem Schlusssegen zogen die Priester und Pilger zum Gnadenbild, wo alle gemeinsam das „Gebet für Europa“ sprachen. Dieses hatte der Schirmherr der Wallfahrt Kardinal Dr. Christoph Schönborn den Pilgern besonders ans Herz gelegt.

Zur Feststunde am Nachmittag im Pfarrsaal hieß Bundesgeschäftsführer Matthias Dörr in Vertretung des kurzfristig erkrankten Bundesvorsitzenden der Ackermann-Gemeinde Martin Kastler die Zuhörer willkommen. Dörr verlas das Grußwort des Schirmherrn Kardinal Schönborn und wies daraufhin, dass neben den Diskussionen und Symposien der Ackermann-Gemeinde besonders auch das Gebet wichtig sei, wie sich auch durch diese Wallfahrt zeige. Ebenso begrüßte er den Festredner Prälat Prof. Dr. Tomáš Halík, einen „guten Freund der Ackermann-Gemeinde“, eine „wichtige Stimme in Tschechien“ und einen „großen, christlichen, europäischen Denker“. Den mitteleuropäischen Katholikentag im Jahr 2004 hier in Mariazell rief Superior Pater Dr. Michael Staberl OSB in seinem Grußwort in Erinnerung. Wichtig für ihn ist besonders, den christlichen Europagedanken vor der Europawahl zu betonen und das christliche Europa im Gebet zu unterstützen.

Populismus ist größte Bedrohung für Europa

Der Präsident der Tschechischen Christlichen Akademie und Templeton-Preisträger hatte seine Festansprache unter das Thema „Christen im Herzen Europas“ gestellt, verbunden mit der Frage, vor welchen Herausforderungen heute die Christen in Mitteleuropa stehen – auch im Kontext der „gefährlichen Welle des Populismus“. Jener Nationalismus und Populismus, der christliche Symbole missbraucht, stellt laut Halíks Worten die derzeit „größte Bedrohung der europäischen Einheit und des gesamten Prozesses der europäischen Integration“ dar. Wenn Rechtspolitiker vor allem in postkommunistischen Ländern wie Polen oder Ungarn zur Rückkehr zu „christlichen Werten“ aufriefen, um zugleich Angst vor Migranten und Muslimen zu verbreiten, so seien dies „nur leere Worte, welche die Machtansprüche der Populisten verhüllen sollen, sowie ihre Bemühungen, die parlamentarische Demokratie durch autokratische Systemen zu ersetzen“, sagte Priester.

„An vielen Orten Europas werden wir wieder zu Zeugen der Verwechslung Gottes mit der Nation, der Verwechslung des christlichen Glaubens mit der gefährlichen Idolatrie der Xenophobie und des Populismus“, warnte der Festredner. In Warschau etwa würden Anhänger der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ zu Spruchbändern wie „Wir wollen Gott“ antisemitische Parolen skandieren, wobei sie sich jedoch laut Halík „sicher nicht auf den Gott, den Jesus von Nazareth seinen Vater nannte“, berufen könnten. Auf ähnliche Weise versuche Viktor Orban in Ungarn unter dem Decknamen der „illiberalen Demokratie“ einen autoritären Staat zu errichten. Vladimir Putin wiederum habe bei seinem gegen den Westen gerichteten Krieg, bei dem er das Vertrauen des ehemaligen sowjetischen Blocks in die Europäische Union schwächen wolle, als wichtige Verbündete Anhänger der schismatischen ultrakonservativen Lefebvre-Bewegung, die ihn in sozialen Netzwerken als „neuen heiligen Konstantin“ im „heiligen Krieg gegen den verdorbenen Westen“ stilisierten.

Auch wenn sich die populistischen Politiker bemühten, die Kirchenrepräsentanten durch Versprechen von Privilegien auf ihre Seite zu ziehen, sollte sich die Kirche davor hüten, eine solche „eingetragene Partnerschaft“ mit den Machthabern einzugehen, mahnte Halík: Die Folge könne für sie nur ein „fataler Verlust der Glaubwürdigkeit“ sein, „beginnend mit dem Vertrauensverlust bei der Jugend und der Intelligenz und bei der großstädtischen Bevölkerung“. In Polen, Ungarn oder in der Slowakei sei diese Entwicklung schon heute festzustellen - mit dem möglichen Ergebnis einer „überraschend schnellen Säkularisierung auch von traditionell katholischen Ländern“.

Ein Christ kann kein Nationalist sein

Um Verantwortung für die Zukunft des Christentums in Europa wahrzunehmen, müssten Christen heute „den Mut haben, ein klares Nein zu sagen zum Missbrauch des Christentums in der Rhetorik von Populisten“, forderte der Theologe. In der Politik tätige Christen sollten jene „gesunde Laizität“ (Halík definierte diese als „gemeinsame Kompatibilität des Christentums und des säkularen Humanismus“) - suchen, zu der bereits Papst Benedikt XVI. aufgerufen habe. Aber auch Papst Franziskus habe klargestellt, dass ein Christ kein Nationalist sein könne. Halík: „Der Nationalismus ist ein nationaler Egoismus, er ist der Verlust der Solidarität der Gesamtheit, die Europa ist.“ Gesunder Patriotismus von Christen äußere sich hingegen in der Solidarität mit anderen Nationen Europas, „weil nur ein vereinigtes Europa angesichts der Herausforderung durch undemokratische Mächte wie Russland oder China bestehen kann“.

Als „sehr ernst“ bezeichnete Halík die Situation der Kirche in Europa. Das traditionelle Christentum von gestern sei wie ein „großes Schiff“, das zu Grunde sinke. „Wir sollten die Zeit nicht damit verlieren, um die Liegestühle auf der Titanic hin und her zu schieben“, so der Prager Priester. Die Kirche täusche sich, wenn sie glaube, die „Stürme“ rund um den sexuellen Missbrauch und den erfahrenen Vertrauensverlust unverändert überstehen zu können. „Der Tod ist wichtig und unvermeidlich. Die Auferstehung ist nicht eine schlichte Rückkehr in eine Vergangenheit, zu einem vorherigen Zustand“, betonte der Philosoph und Soziologe. Für die Erneuerung des Christentums in Europa seien vor allem, „Plattformen für einen Dialog, für Studien und Reflexionen zu schaffen, wo wir die Zeichen der Zeit untersuchen können und lernen werden, die richtigen Antworten zu suchen".

Für diese „prophetische Ansprache“ dankte in seinem Schlusswort Monsignore Dieter Olbrich, der Geistliche Beirat der Ackermann-Gemeinde und bat die Pilger, auch künftig im Gebet miteinander verbunden zu bleiben und für eine gute Zukunft Europas zu beten. Auch die Feststunde umrahmten Stephanie Kocher (Viola), Simon Ullmann (Violincello) und Irina Ullmann (Flügel) mit Auszügen aus der Bagatelle op. 47 von Antonín Dvořák.

Markus Bauer

 

Der Wallfahrtsgottesdienst in der Basilika Mariazell fand am Samstag, 4. Mai 2019, statt. Bischof em. Dr. Ludwig Schwarz, Linz, feiert um 11.15 Uhr das festliche Pontifikalamt. Bereits am Vorabend kamen die Pilger am Gnadenaltar zu einer Andacht zu den heiligen Patronen Europas zusammen. Diese feierte der Erfurter Weihbischof Dr. Reinhard Hauke mit den Gläubigen. Den Abschluss am Samstag bildete nachmittags , eine Feierstunde im großen Pfarrsaal, bei der der Präsident der Tschechischen Christlichen Akademie Prag und Templeton-Preisträger Prälat Prof. Dr. Tomáš Halík sprach. Die Schirmherrschaft über die Europawallfahrt hat der Wiener Erzbischof, Dr. Christoph Kardinal Schönborn übernommen.

Verwiesen sein auf den Bericht von Kathpress sowie auf die Beiträge auf der Internetseite von Marieazell zur Andacht zu den Patronen Europas sowie zur Wallfahrtsmesse und zur Feststunde.

 

Dateien zum Download:

Festrede von Prälat Prof. Dr. Tomáš Halík bei der Feierstunde (Europawallfahrt Mariazell, 4.5.2019) in deutscher Sprache und in tschechischer Sprache.

Predigt von Weihbischof Dr. Reinhard Hauke bei der Andacht zu den Patronen Europas (Europawallfahrt Mariazell, 3.5.2019) in deutscher Sprache und in tschechischer Sprache.

Grußwort von Erzbischof Dr. Christoph Kardinal Schönborn zur Europawallfahrt in deutscher Sprache und in tschechischer Sprache

 

Videos auf Youtube:

Msgr. Dieter Olbrich spricht das "Gebet für Europa" von Kardinal Carlo Maria Martini: https://www.youtube.com/watch?v=IyIRA9JAYAM

Weihbischof Dr. Reinhard Hauke in Mariazell im Gespräch https://www.youtube.com/watch?v=3yXoZHpMPeE

Professor Dr. Tomáš Halík in Mariazell im Gespräch: https://www.youtube.com/watch?v=_1QfGtzAQYQ