Erzbischof Nossol zur Kraft der Vergebung

„Heimat im Glauben“ hieß das Motto der heurigen Sudetendeutschen Wallfahrt nach Altötting am ersten Juli-Sonntag, zu der die Ackermann-Gemeinde und der Visitator für die Seelsorge an den Sudetendeutschen eingeladen hatten. Die Bedeutung von Kirche, Religion und Glauben im Kontext von Heimatverlust machten auch beim Festgottesdienst in der Basilika St. Anna Erzbischof Alfons Nossol, emeritierter Bischof von Oppeln, und Pfarrer Hans Schneider aus Dießen in der Marienfeier am Nachmittag deutlich.

Auch Petrus war den Pilgern wohlgesonnen, die Sonne strahlte ebenso wie die bunten Trachten der Wallfahrer, die freilich etwas ins Schwitzen kamen. Doch vor der Basilika St. Anna gibt es immer schattige Plätze, um sich vor der Messfeier ein wenig auszuruhen und Gedanken auszutauschen. Über das farbenprächtige Bild der Trachtengruppen und Fahnenabordnungen freute sich in ihrer Begrüßung auch Ilse Estermaier, die Vorsitzende der Ackermann-Gemeinde in der Diözese Passau. „Sie sind ein Abbild der alten Heimat. Nach über 60 Jahren ist uns die Basilika hier in Altötting zur Heimat des Glaubens geworden“, stellte sie fest. Als „echten Brückenbauer zwischen Deutschen und Polen und als Mittler zwischen den Konfessionen“ würdigte sie Erzbischof Alfons Nossol vor und gab bekannt, dass Prof. Dr. Tomáš Halik, der Präsident der Tschechischen Christlichen Akademie, den Guardini-Preis erhält.

Den „befriedenden Frieden in Europa und in der Welt“ stellte Erzbischof Nossol in den Fokus seiner Predigt. „Der Friede wird denen geschenkt, die auf Jesus Christus hoffen. Der Glaube an Jesus Christus verschafft Frieden“, lautete seine Grundthese. Er machte aber auch deutlich, dass der Christ die „Botschaft vom Frieden und Heil“ mit Wort und Tat verkünden müsse. In diesem Kontext würdigte er die Ackermann-Gemeinde als Brückenbauer für den Frieden im eigenen Land und in Europa, „der die deutsch-tschechische und deutsch-slowakische Nachbarschaft am Herzen liegt“. Der Altbischof zitierte zentrale Passagen aus „Der Ackermann und der Tod“ mit der Aufforderung zur Umkehr, Vergebung und Versöhnung. Für Erzbischof Nossol bedeutet dies, dass vor allem die Christen als Friedensstifter gefragt seien. Er wies auf Sätze von Papst Johannes Paul II. hin, dass „kein Friede ohne Gerechtigkeit und keine Gerechtigkeit ohne Vergebung“ möglich sei. Für den Oberhirten ist die Vergebung ein zentraler Faktor: sie heilt Wunden und ist Basis für den befriedenden Frieden. „Vergebung setzt große geistige Kraft und moralischen Mut voraus. Ohne Dialog gibt es keinen Frieden und keine Versöhnung“, warf der Erzbischof zwei weitere Aspekte in den Raum. „Vergebung ist der Hauptweg und die Seele einer Zivilisation der Liebe. Vergebung ist eine innere Haltung, die Menschen von Gott lernen können“, vertiefte der Altbischof und nannte als Voraussetzungen für das Vergeben den Abstand und die Freiheit. „Der Wille zur Vergebung muss wachsen, und es darf keinen Zwang zur Vergebung geben. Den Weg zur Vergebung muss jeder auf eigene Weise und im eigenen Tempo gehen. Vergebung ist Heilung von Erinnerungen. Nur Gott vergibt auf der Stelle. Der wird der größte Sieger sein, der als Erster vergibt“, machte Erzbischof Nossol deutlich. Auf dieser Basis könne es auch in Europa zu einem friedvollen Mit- und Füreinander kommen. „Versöhnung und Vergebung ist den Christen als bleibende Herausforderung aufgegeben. Wir sollten zu wahren Friedensstiftern werden“, fasste der Oberhirte zusammen, der außerdem betonte, dass er sein ganzes priesterliches Wirken dem Dienst der Versöhnung zwischen Nationen, Völkern, Konfessionen und Religionen gewidmet habe.

Bei der Marienfeier gedachte der Dießener Pfarrer Hans Schneider der Verstorbenen der Heimat, der Ackermann-Gemeinde, der Sudetendeutschen Landsmannschaft sowie aller Opfer von Kriegen und Gewalt. In seiner Predigt rief er die Marienwallfahrten, -kirchen und -kapellen im Sudetenland in Erinnerung und damit die Verbindung zur Gottesmutter in der früheren Heimat. „Es war selbstverständlich, dass die Menschen nach dem schweren Schicksal der Vertreibung einen Ort suchten, wo sie bei Maria ihre Sorgen abladen konnten“, beschrieb er die Entscheidung für die Wallfahrt der Sudetendeutschen nach Altötting. Die Vertreibung aus der Heimat sah der Geistliche in gewisser Weise auch als Heimsuchung, als einen Aufbruch zu etwas Neuem - die Heimat in Bayern, die Integration hier und die Heimat im Glauben. Der Geistliche empfahl, die Lebenserfahrungen aus der alten Heimat an die nächste Generation weiterzugeben.

Mit der Prozession zur Gnadenkapelle, musikalisch begleitet von der Musikkapelle Altötting, endete die diesjährige Sudetendeutsche Wallfahrt, wobei Msgr. Johannes Tasler, der Geistliche Beirat der Ackermann-Gemeinde München/Freising, wünschte, dass sich die Wallfahrer auch im kommenden Jahr wieder in Altötting treffen mögen.

Markus Bauer


Die Predigt von Erzbischof Nossol stellen wir Ihnen zum Download zur Verfügung: