Skip to main content Skip to page footer

Erinnerungen von drei starken Frauen

Dokumentarfilm „Das Licht für die Zukunft“ beim Kulturzoom der Ackermann-Gemeinde

Auf großes Interesse stieß der Oktober-Kulturzoom der Ackermann-Gemeinde. Geboten war diesmal – in drei Ausschnitten -  der neue zweisprachige tschechisch-deutsch-österreichische Dokumentarfilm „Das Licht für die Zukunft / Světlo pro budoucnost“ von Dr. Lenka Ovčáčková. Darin geht es um die Lebenswege von drei heute über 90-jährigen Frauen aus deutschsprachigen Familien, die als Kinder den Zweiten Weltkrieg und die Vertreibung aus ihrer böhmischen oder mährischen Heimat erlebten.

Die Filmemacherin Lenka Ovčáčková stellte die Zoom-Moderatorin Sandra Uhlich zunächst kurz vor: sie stammt aus dem mährischen Uherské Hradiště und lebt heute in Prag. An der dortigen Karlsuniversität Prag lehrt und forscht die promovierte Umweltwissenschaftlerin und Wissenschaftshistorikerin am Lehrstuhl für Philosophie und Geschichte der Naturwissenschaften. Bereits im Jahr 2006 begann ihr filmisches Schaffen. Ihr neuer Film „Das Licht für die Zukunft“ ist ihr inzwischen zwölfter Film, der mit einer besonderen Perspektive und tiefgründig starke Impulse für Reflexionen von Erinnerung, Geschichte und Zukunft gibt. Bei einigen Diözesanverbänden der Ackermann-Gemeinde war Ovčáčková in der Vergangenheit bereits als Referentin aktiv.

Die Filmemacherin betonte in ihren einleitenden Worten, dass sie in ihren Werken immer eine besondere Herangehensweise wählt – unter anderem durch die Einbeziehung von Zitaten des Renaissance-Philosophen und Theologen Marsilio Ficino. „Es sind vor allem Erinnerungen an die nicht einfache Kindheit der drei Zeitzeuginnen, alles starke Frauen. Ohne das Vertrauen der drei Frauen hätte der Film nicht entstehen können“, erläuterte sie. Ihr Film wurde und wird in vielen Städten in Deutschland, Österreich und Tschechien gezeigt.

Im ersten, ca. sieben Minuten langen Ausschnitt ging es um die Kindheit der drei Frauen: Ewa Singer, die aus Brünn stammt und nach der Vertreibung in Burghausen eine neue Heimat fand. Elfriede Weismann aus Kaplitz und nun in Linz sowie Emma Marx aus Hüttenhof im Böhmerwald, die im Heimatland bleiben konnte und nun in Větřní (Wettern) lebt. Also unterschiedliche Regionen und damit Rahmenbedingungen in der Zeit von 1945/46: Fotografien aus der Kindheit und Schilderungen des Familien- und Dorflebens (Mischehen, Sprache), der Blick auf die heutige Naturlandschaft, wo früher das Haus der Familie stand oder die damaligen Unterschiede zwischen deutschen und tschechischen Mädchen (Zöpfe bzw. Schleifen in den Haaren. Und ein denkwürdiges Zitat von einer der Frauen: „Politik war nie ein Thema für mich. Für mich hat immer nur der Mensch gezählt!“

Der zweite Filmausschnitt beinhaltete die Erinnerungen an die Vertreibung: der Wechsel in die tschechische Sprache in der Schule nach Kriegsende – verbunden mit der Problematik, nun kein Abschlusszeugnis zu bekommen, der Schutz auch durch tschechische Nachbarn oder die Erlebnisse bei der Vertreibung in Brünn mit den Geschwistern und der Mutter.

Schließlich widmete sich der dritte Filmausschnitt dem Ankommen in der neuen Heimat und der Erinnerung bzw. Verarbeitung der Ereignisse. Während Ewa Singer nach Burghausen kam und Elfriede Weismann nach Linz gelangte (die Eltern kauften im Jahr 1955 die österreichische Staatsbürgerschaft), wurde Emma Marx zunächst ins Erzgebirge umgesiedelt, wo ihre Brüder arbeiteten. Sie blieb dann, lebte sich gut ein und erlernte die tschechische Sprache. Die Auseinandersetzung mit ihrer persönlichen Vergangenheit, das Sprechen darüber und der Besuch der alten Heimat begann vor ca. 20/30 Jahren. Als „schmutzig, klein und fremd“ sah Weismann ihre Heimatstadt Kaplitz beim ersten Ausflug dorthin. „Heute bin ich wieder daheim“, sagt sie im Film. Andererseits war ein Gespräch mit dem Enkelsohn über den Krieg im Kosovo in den 1990er Jahren der Anknüpfungspunkt für die Schilderungen der eigenen Erlebnisse. Wobei meistens die Enkelkinder ein stärkeres Interesse haben als die Kinder. Auch hier zusammenfassend ein Zitat: „Jeder Mensch hat diese Gottesgabe, dass er Frieden stiften kann. Aber er muss es auch machen!“

Alle drei Frauen sind bis heute – trotz ihres hohen Alters – in verschiedenen Einrichtungen tätig, die sich für grenzüberschreitende Friedensarbeit und Versöhnung einsetzen. Seit acht bis zehn Jahren kennt Lenka Ovčáčková diese, so dass ein Vertrauensverhältnis gewachsen ist. Aktuell tourt die Filmemacherin mit ihrem Werk und jeweils einer der Damen weiter durch Deutschland, Österreich und Tschechien (Termine auf ihrer Homepage:  https://lenkaovcackova.wordpress.com). Sie will den Film auch bei Filmfestivals einreichen und TV-Sendern anbieten. Zu einem späteren Zeitpunkt wird er dann zu kaufen und/oder zu streamen sein. Mit ihrem Werk ergänzt Ovčáčková jedenfalls die Erinnerung und Aufarbeitung der gemeinsamen deutsch-tschechisch-österreichischen Geschichte des 20. Jahrhunderts um einen wichtigen Mosaikstein.

Markus Bauer

Der Flyer zum Kulturzoom mit Lenka Ovčáčková.
Die Kulturarbeit der Ackermann-Gemeinde im Institutum Bohemicum wird gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales.