Engel ohne Hände

Mit Gedanken zum Weihnachtsfest wendet sich Weihbischof Dr. Reinhard Hauke, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge, auch in diesem Jahr an die Mitglieder und Freunde der Ackermann-Gemeinde:

„Im Kunstmagazin des Erfurter Domes lagern unter anderem auch Kunstwerke, die auf eine Restaurierung warten. Eine Restaurierung wird immer dann beauftragt, wenn eine Pfarrgemeinde Interesse an einer Ausleihe signalisiert hat. Eine Madonna mit Kind oder ein Kreuz hat schnell die Chance, einen Leihnehmer zu finden. Zu den derzeit noch „wartenden“ Kunstwerken gehört ein Engel. Aufrecht und mit langem Gewand steht er vor mir. Es ist zu vermuten, dass er früher auch gefaltete und anbetende Hände hatte. Diese sind jedoch verloren.

Weihnachtsengel stehen in diesen Tagen in Schaufenstern, auf Pyramiden und auch schon bei Weihnachtskrippen, die bereits auf den Märkten aufgestellt sind. Dort werden sie wohl alle in Ordnung sein und vielfach die Hände an Musikinstrumenten oder auch anbetend gefaltet haben. Mein Engel aus dem Kunstmagazin hat kaum eine Chance, in diesem Jahr in der Öffentlichkeit Gefallen zu finden. Er ist restaurierungsbedürftig. Es fehlen die Hände. Man ahnt nur, was er mit seinen Händen machen wollte: Gott verehren und anbeten.

Dennoch: Er regt mich an zum Nachdenken über die Engel und über das, was sie tun: Sie stehen vor Gott und beten ihn an – so erfahren wir es durch die Heilige Schrift. Zur Anbetung nehmen sie wohl ihre Hände, wie auch wir es tun. Dazu nehmen sie sicherlich auch ihre Stimmen, denn vom Gesang der Engel berichtet der Evangelist Lukas in der Weihnachtsgeschichte. Auf den Hirtenfeldern haben sie das „Ehre sei Gott in der Höhe“ gesungen und sicherlich gehört auch das „Halleluja“ zu ihrem Gesangsrepertoire. In der Heiligen Messe stimmen wir Menschen in den Gesang der Engel mit dem „Sanctus“ ein. Es ist gut, wenn uns in den großen Weihnachtsgottesdiensten dabei auch die irdischen Chöre mit ihrem Gesang helfen, damit es eine gute Harmonie mit dem Gesang der Engel im Himmel gibt. Aber auch ein Gotteslob mit Kinderstimme, Seniorenstimme oder sogar nur durch das Klatschen der Hände erfreut Gott in seiner Herrlichkeit. Wenn das Gotteslob aus frohem und gläubigem Herzen kommt, ist es kostbar in den Augen Gottes.

 

Der Engel ohne Hände hilft mir beim Nachdenken über Weihnachten. Er sagt mir: Ergänze Du mit Deinen Händen, was bei mir fehlt. Ehre Gott mit Worten, Gesang und Taten. Dann werden die Menschen spüren: Gottes Güte und Menschenfreundlichkeit ist auf der Erde angekommen – und das nicht nur vor 2000 Jahren in Bethlehem, sondern auch in diesem Jahr 2011 überall dort, wo wir als glaubwürdige Christen leben.“