Eingeständnis eigener Schuld als Basis für Versöhnung

Mit einigen Appellen entließen die Zelebranten bei der Sudetendeutschen Wallfahrt, die von der Ackermann-Gemeinde veranstaltet wird, die Gottesdienstbesucher: Altabt Emmeram Kränkl OSB aus Schäftlarn mahnte in seiner Predigt beim Gottesdienst an, dass der Verständigung und Versöhnung das Eingeständnis der eigenen Schuld vorangehen müsse. Und Pater David Riedl vom Benediktinerkonvent in Rohr, zurzeit als Kaplan in München tätig, empfahl bei der Marienfeier am Nachmittag den Heimatvertriebenen, dass sie ihren Kindern und Enkeln von der Heimat und Vertreibung erzählen sollten.

Die Basilka St. Anna war fast bis auf den letzten Platz gefüllt, zum Teil kamen die Pilger in Tracht und mit ihren Fahnen. Die Vorsitzende der Ackermann-Gemeinde in der Diözese Passau, Ilse Estermaier, hieß in ihrer Begrüßung alle willkommen, „die ihre Anliegen, Bitten und den Dank der Gnadenmutter darbringen wollen“. Besonders freute sie sich über die Fahnenabordnungen und Trachtengruppen, die ein „Abbild der alten Heimat“ zeigten. Beim Gottesdienst sollten Maria, der Königin des Friedens, vor allem der Dank für und die Bitte um Friede ausgesprochen werden. Angesichts des unblutigen Falls des Eisernen Vorhangs vor 20 Jahren motivierte sie die Gläubigen, auch weiterhin „im christlichen Geist über alles Trennende hinweg Brücken zu schlagen und sich um eine dauerhafte Friedenssicherung zu bemühen.“ Den Mitkonzelebranten von Altabt Emmeram Kränkl (Sohn des langjährigen Ackermann-Diözesanvorsitzenden in Regensburg Georg Kränkl), Monsignore Johannes Tasler und Pater Eduard Stuchlik OFMCap aus Altötting, gratulierte sie zu deren 50-jährigen Priesterjubiläum. „Wir sind stolz und froh über solche Mitstreiter“, sprach Estermaier den Geistlichen ihre Anerkennung aus.
Am Beispiel einer palästinensischen Frau, die bei Treffen mit israelischen Frauen dafür plädiert, sich gegenseitig die Schmerzen, Verletzungen und Verwundungen mitzuteilen und klar auszusprechen, machte Altabt Kränkl in seiner Predigt deutlich, dass nur auf diese Weise, durch „Entfeindungsliebe“ eine Heilung der Wunden möglich sei. „Aus dem Feind einen Freund machen - und zwar dadurch, dass ich ihn annehme und verstehe. Das ist der einzige Weg zum Überleben. Und man soll nie vergessen, eine wahre Versöhnung anzustreben. Das Bekenntnis der eigenen Schuld ist die Basis der wahren Versöhnung.“ Das Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechen im größten Teil des 20. Jahrhunderts nannte der emeritierte Abt eine „Unheilsgeschichte“: auf Seiten der Deutschen Vertreibung mit viel Leid bis hin zum Verlust von Angehörigen, bei den Tschechen die Okkupation durch die NS-Machthaber, Ausrottung des Judentums bis zum Massaker von Lidice. „Es gab schlimmste Erfahrungen auf beiden Seiten. Nach 1989 sind viele alte Verletzungen wieder aufgebrochen“, fasste er zusammen. Er riet aber, „den Schmerz nicht zu verdrängen, sondern Gefühle zuzulassen, aber auch nicht dabei stehen zu bleiben.“ In christlichem Sinn gilt es für Altabt Kränkl zu handeln: „Die Rache ist Sache Gottes. Besiege das Böse durch das Gute, tue dem Feind Gutes!“ Anders gesagt: Versöhnung, Frieden stiften. „Von beiden Völkern sind viele Schritte der Versöhnung und des Friedens gemacht worden, von Anfang an stand das Bemühen um Versöhnung mit Tschechen und Slowaken im Vordergrund“, fand er lobende Worte für beide Völker. Und er nannte kleine Beispiele wie Aktionen auf deutscher Seite für Kirchen im Sudetenland oder die zwei Steintafeln im Brünner Dom, auf denen Tschechen und Deutsche sich gegenseitig um Verzeihung bitten und die eigene Schuld eingestehen. Abt Kränkl freut auch, dass sich die tschechische Jugend für frühere Tabuthemen der jüngsten deutsch-tschechischen Historie interessiert. Und schließlich ist heute - so des Altabts Erfahrung - das Zusammenleben von deutschen und tschechischen Ordensleuten in Tschechien wieder problemlos möglich. „Danken wir Gott, dass so vieles geschehen ist“, schloss der Abt seine Predigt und rief noch die Gottesmutter ins Bewusstsein. „Möge Maria, die Mutter des Friedens, besonders in dieser Eigenschaft ihre Hand über unsere Völker halten!“
An seine regelmäßige „Zuflucht bei der Gottesmutter“ in Altötting erinnerte bei der Marienfeier Pater David Riedl OSB. „Sie kommen auch hierher, um Dank zu sagen und auch um die Verstorbenen nicht zu vergessen, die Vorbilder sind auf dem Weg unseres Lebens“, führte der junge Pater in seiner Begrüßung aus, die er mit einer Schweigeminute für die Toten beendete. Anhand des ältesten Mariengebets „Unter deinen Schutz und Schirm“ verwies er auf Bilder der Gottesmutter mit ausgebreiteten Armen und Mantel, die vor allem bei Krieg, Vertreibung, Gewalt und Terror um Hilfe angerufen werde - wie etwa auch bei Pater Riedls Urgroßeltern aus Schlesien. „Das Leben und Vorleben von Menschen bleibt stärker als Predigten. Sagen Sie weiter, was Sie bewegt, beeindruckt, fasziniert, schmerzt an der Geschichte, was Sie durchlebt und erlitten haben. Leben Sie Ihre Geschichte und Ihren Glauben den jungen Menschen vor. Zum Vorbild kann jeder von Ihnen werden. Verlernen wir auch nicht, anderen zuzuhören und anderen von uns zu erzählen“, appellierte er an die Gläubigen. Und angesichts der Textpassage des Gebets „Versöhne uns mit deinem Sohne“ machte er deutlich, dass viele Menschen auf der Suche seien und Sinn im christlichen Glauben fänden. Als wichtig sah Pater Riedl auch an, „von der Heimat und von der Vertreibung zu erzählen, insgesamt Rede und Antwort zu stehen für alle Fragen des Lebens.“
Mit der Segnung der sakralen Gegenstände endete die Marienfeier mit Totengedenken, die Prozession zur Gnadenkapelle fiel angesichts des schlechten Wetters aus.

Markus Bauer

Gruppenbild nach dem Wallfahrtsgottesdienst