Die vielen Initiativen ins Nachbarland Tschechien bündeln

Mit dem CSU-Landtagsabgeordneten Dr. Gerhard Hopp bestritt kein Unbekannter den Juni-Themenzoom der Ackermann-Gemeinde. Im letzten Jahr nahm er unter anderem an den „Samstagen für Nachbarschaft“ teil, organisiert von der Ackermann-Gemeinde im Bistum Regensburg. Mit dem Europaabgeordneten Christian Doleschal hat Hopp einen „12-Punkte-Plan für das Herz Europas“ verfasst. Das Gespräch mit Moderator Rainer Karlitschek beim themenzoom der Ackermann-Gemeinde am 1. Juni stand unter der Frage „Das bayerisch-tschechische Grenzgebiet - klappt ein Neustart nach Corona?“

Moderator Rainer Karlitschek begrüßt an 70 Bildschirmen rund 90 Personen und erwähnte in seiner Begrüßung und Einleitung auch Hopps jüngste Aktivität nämlich die Veröffentlichung des Kriminalromans „Die Akte Schleißheim“. Dazu erklärte Hopp, dass er durch das von Landtagspräsidentin Ilse Aigner angeregte Kinderbuch „Die Isar-Detektive“, in dem auch der Landtag und dessen Arbeit einen großen Platz einnehmen, zu seinem Werk inspiriert worden sei. Karlitschek stellte den Chamer Abgeordneten kurz vor: Hopp ist in der Grenzregion aufgewachsen und lebt bis heute dort. Seine Doktorarbeit behandelt das Verhältnis zwischen der CSU und der Sudetendeutschen Landsmannschaft (Titel: „Machtfaktor auch ohne Machtbasis? Die Sudetendeutsche Landsmannschaft und die CSU“). Als Büroleiter des früheren und leider zu früh verstorbenen CSU-Abgeordneten und Staatssekretärs Markus Sackmann organisierte Hopp auch eine Prag-Fahrt, an der Ackermann-Mitglieder teilnahmen. Seit 2013 gehört Hopp dem Bayerischen Landtag an, dort auch dem Europa- und Haushaltsausschuss. Darüber hinaus ist er unter anderem Beirat im Haus der Bayerischen Geschichte. Durch Studienaufhalte in der mährischen Metropole Brünn/Brno konnte er Tschechien, die tschechische Kultur und gemeinsame Geschichte erkunden.

Schon als Kind habe er „die Grenzsituation aufgesogen“, am Eisernen Vorhang sei er aufgewachsen. Diese Erfahrungen vor 1989/90 vermittle er bei Vorträgen an Schulen an die Jugendlichen – so auch das Erlebnis, als er als achtjähriger Bub bei einer Wanderung entlang der Grenze plötzlich von tschechischen Grenzsoldaten, die mit Maschinenpistolen ausgestattet waren, bedroht und zurückgeschickt wurde. „Wir arbeiten dafür, dass es nie wieder so kommt“, zog Hopp die Konsequenz aus diesem frühen Ereignis.

Doch im März 2020, mit dem ersten Lockdown, sei es wieder zur Grenzschließung und Polizeipräsenz überall entlang der Grenze gekommen. „Das war nicht nur ein Einschnitt, sondern für die gesamte ostbayerische Region und die Freunde in Westböhmen eine Katastrophe mit Kollateralschäden“, stellte Hopp fest. Besonders wies er auf die vielen Pendler – allein in Raum Cham sind es täglich ca. 4500 Tschechen – hin, die in systemrelevanten Berufen tätig sind – auch als Ärzte und Pflegekräfte. „Von einem Tag auf den anderen waren sie abgeschnitten. Das war zwischen den Regierungen und der Bevölkerung in keinster Weise abgestimmt, innerhalb von Stunden brachen ohne einen Austausch ganze Systeme zusammen. Erst nach Stunden der Unsicherheit gab es politische Gespräche“, blickte der Abgeordnete zurück. Heuer im Frühjahr sei angesichts der hohen Inzidenzzahlen in Tschechien die Grenze von Deutschland geschlossen worden, „die Pendler saßen erneut zwischen den Stühlen“, verdeutlichte Hopp und nannte auch Misstrauen und Vorurteile, die zum Teil in dieser Phase hochkochten. Erst durch die Einstufung als europäisches Krisengebiet seien Fortschritte erreicht worden, etwa grenzüberschreitende Impfungen. Zudem hätten Falschinformationen („Fake News“) zur schlechten Stimmung beigetragen.

All diese Rahmenbedingungen hätten schließlich den CSU-Europaabgeordneten Christian Doleschal und Hopp motiviert, sich tiefgründig mit der aktuellen Situation und den damit zusammenhängenden Fragen zu beschäftigen. So seien sie zur Einsicht gekommen, dass der Eiserne Vorhang den Austausch und die Aufarbeitung der Geschichte nach 1945/46 beschränkt oder behindert habe. Erst in jüngster Zeit seien etwa die „Verschwundenen Dörfer“ entlang der Grenze wieder in den Fokus gerückt und würden nun gemeinsam von Deutschen und Tschechen bearbeitet. „Zwischen Bayern und Tschechien hat es lange nur wenig persönlichen Austausch gegeben. Zwar haben wir darin aufgeholt, aber es ist noch nicht so viel, um solche Krisen auszuhalten“, resümierte Hopp.

Zusammen mit Doleschal habe er den „12-Punkte-Plan für das Herz Europas“ erstellt und am 31. März vorgestellt. Besonders gehe es darum, die vielen im deutsch-tschechischen Bereich angesiedelten und aktiven Initiativen zu bündeln und so ein Gemeinschaftsgefühl zu erreichen. Nötig sei die Einrichtung einer Koordinierungsstelle, die politische Koordinierung soll laut Hopp bei der bayerisch-tschechischen Parlamentariergruppe liegen. „Wir wollen damit auch Impulse in die politische Debatte bringen“, nannte Hopp einen weiteren Aspekt und verwies exemplarisch auf die Sprachkompetenz. So schlug er eine stärkere Betonung der tschechischen Sprache – etwa als gleichrangige Alternative beim Wahlpflichtfach und eine Verankerung auch in der Wirtschaft oder Lehrerbildung – vor. Ebenso regte er einen deutsch-tschechischen Pressedienst und kommunale Bündnisse an – ungeachtet der Dauerthemen „Gesundheit“ und „Verkehrsausbau“. Mit ihrem „12-Punkte-Plan“ möchten Hopp und Doleschal „auf der politischen Ebene“ anschieben und den Austausch vertiefen. Vorstellen können sie sich im Jahr 2022 zudem einen neuen deutsch-tschechischen Nachbarschaftsvertrag.

Nachgefragt von Moderator Karlitschek nach Partnern auf tschechischer Seite nannte Hopp neben der Parlamentariergruppe (Senat, Abgeordnetenhaus) einen im Entstehen befindlichen Freundeskreis (Europaabgeordnete, Grenzlandkommunalpolitiker) und die Hanns-Seidel-Stiftung. Auch die Mitglieder der entsprechenden Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag könnten einbezogen werden. Der Geistliche Beirat der Ackermann-Gemeinde Region Süd-Ost, Dekan Heinrich Bohaboj, brachte die Kontakte und Strukturen in Sachsen und in den dortigen Diözesen ins Gespräch. Die Pendler-Problematik vertiefte Michael Moritz und nannte den zum Teil geringeren Verdienst tschechischer Arbeitskräfte. Pablo Schindelmann wies auf unterschiedliche Strukturen in Bayern, wo er Subsidiarität und plurale Vielfalt sieht, und in Tschechien, wo er einen Hang an Institutionen ausmacht, hin. Werner Honal schlug vor, seitens der Bundespolitik das außenpolitische Mandat hinsichtlich Tschechien auf den Freistaat Bayern zu delegieren. So weit wollte Hopp nicht gehen, auch wenn er ein stärkeres Engagement des Bundes gegenüber Tschechien wünschte. „Bayern soll der Motor der deutsch-tschechischen Beziehungen sein“, schloss er seine Ausführungen.

Markus Bauer

 

Download:

Der „12-Punkte-Plan für das Herz Europa“ und Präsentation zum "12-Punkte-Plan"

Der „12-Punkte-Plan für das Herz Europas“ in tschechischer Sprache und in tschechischer Zusammenfassung

 

Gehrard Hopp 12-Punkte-Plan
Der bayerische Landtagsabgeordnete Dr. Gerhard Hopp bei seinem Impulsvortrag.
themenzoom
Ein Teil der Teilnehmer am Themen-Zoom mit MdL Dr. Gerhard Hopp.
Heinz Bohaboj
Der Geistliche Beirat der Ackermann-Gemeinde Region Süd-Ost, Dekan Heinrich Bohaboj, brachte die Aktivitäten und Initiativen in seiner Region ins Spiel.
Michael Moritz
Die Situation der Pendler vertiefte Michael Moritz in seinem Diskussionsbeitrag.