Die unbekannten sudetendeutschen Opfer vom 9.11.1938

Das Schicksal der Juden im Sudetenland ist in diesem Jahr mit der Verleihung des Karlspreises der Sudetendeutschen Landsmannschaft an Dr. h.c. Max Mannheimer stärker ins Bewusstsein gerückt. Während die Zeit vor 1938 und nach Kriegsende gut erforscht ist und in den zahlreichen Heimatzeitungen ausführlich behandelt wird, liest man über die Kriegsjahre und die NS-Zeit in den von Deutschen besiedelten Gebieten der böhmischen Länder nur wenig.

„1938 waren plötzlich alle Juden aus Weipert verschwunden, ohne dass man wusste, was eigentlich passiert ist,“ berichtet Max Peter Schenk. Er sah hier eine Lücke in der Geschichte seiner Heimatstadt Weipert (Vejprty), in der 1940 zur Welt kam und aus der er 1946 vertrieben wurde. Er verschrieb sich der Aufgabe, diese zu schließen. Er suchte Zeitzeugen, sammelte Berichte und Erzählungen, ging in Archive. Die Beschäftigung mit diesem Geschichtskapitel ist für Schenk kein Selbstzweck. Er sieht sie als einen „Baustein zum Abbau von Vorurteilen“. Es brauche auch ein „aktives Bekenntnis der Mitschuld an den nationalen Katastrophen“ des vergangenen Jahrhunderts, mahnt Schenk an. „Das Zusammenwachsen Europas kann nur Erfolg haben, wenn jeder zur Geschichte steht und die Folgen zu überwinden versucht“.

In dasselbe Horn stößt auch der Bundesgeschäftsführer der Ackermann-Gemeinde Matthias Dörr. „Um zu einem gegenseitigen historischen Verständnis zu kommen, müssen wir auf deutscher Seite die weißen Flecken in der Erinnerungskultur der Sudetendeutschen schließen.“ Schenk leiste mit seinen Forschungen zu Weipert hier einen wichtigen Beitrag, so Dörr.

 

Die „Reichskristallnacht“ am 9. November 1938 in Weipert

 

Von Max Peter Schenk

 

Vor vielen Jahren fragte ich meine Eltern (Jahrgang 1910) ziemlich unvermittelt, ob es in Weipert jüdische Burger gab. Als sie das bejahten, bohrte ich weiter, was mit diesen geschehen sei? „Die waren eines Tages nicht mehr da“, bekam ich zur Antwort. Was sich zugetragen hat und wohin sie gekommen sind, wussten sie nicht, weil niemand darüber gesprochen hat und in den Zeitungen nichts stand. Man ahnte nur, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Der jüdische Besitz wurde arisiert und man ging ohne tiefer nachzudenken zu den Tagesgeschäften über.

Diese Fragen habe ich im Laufe der Jahre vielen Weiperter Verwandten gestellt und immer wieder die gleichen Antworten wie oben bekommen. Man stelle sich vor, in unseren Ortschaften verschwinden heutzutage Menschen und keiner kümmert sich darum. Das geht gar nicht. Es werden enorme Anstrengungen unternommen, Hundertschaften rücken aus, Hubschrauber steigen auf, Taucher gehen in die Tiefe, um Menschen, die vermisst gemeldet sind, zu suchen. Wehe ein Verantwortlicher lässt heute Versäumnisse zu. Er riskiert seine Stellung im öffentlichen Dienst.

In der Nazizeit war das anders. Das Verschwinden von Menschen gehörte zum Alltag. Nach dem so genannten Anschluss des Sudetenlandes an das Reich griff ganz schnell diese Verbrechensart auf die neuen Reichsgebiete über. Auch in Weipert reagierte nach dem Verschwinden von Menschen jüdischen Glaubens am 09.11.1938 keine Polizei, keine Stadtverwaltung, kein Nachbar, kein Verwandter, kein Freund, keine Kirchgemeinde, kein Verein. Jeder hatte Angst, dadurch selbst in die „Schusslinie“ zu geraten. Das war die subtile Angst aller Weiperter Bürger und aller Deutschen im Reich gewesen. Die Unterdrückung und Vernichtung der Juden wurde von den Deutschen allgemein billigend in Kauf genommen. Mit dieser Nichttätigkeit verhielt sich Weipert nicht anders als viele Städte im Deutschen Reich, weil es damals kaum möglich war, aktiv etwas dagegen zu tun. Eine Anzeige wäre gar nicht bearbeitet worden, was nach heutigem Rechtsverständnis eine vorsätzliche Verschleierung eines Verbrechens darstellt. Wenn wir heute Versöhnung wollen, dürfen nicht nur die Verbrechen der Russen und Tschechen an den Deutschen, sondern müssen auch die Verbrechen der Deutschen während der Nazizeit ins Visier genommen werden. Diese haben leider auch vor Weipert keinen Bogen gemacht. Aufgearbeitet wurden sie bisher nicht. Das Schweigen darüber halt bis heute an.

Die immer gleichen Antworten aller von mir befragten Verwandten hat mir keine Ruhe gelassen. Ich wollte es genau wissen. Das Ergebnis umfangreicher Recherchen kann jetzt dargestellt werden.

Es gab in Weipert mehrere jüdische Familien, meistens in gemischten Glaubensformen. Einige, wie die Schwestern Heller, Inhaber eines Bekleidungsgeschäftes in der Karlsbader Straße 147, konnten sich nach Warnungen über Schweden in die USA rechtzeitig absetzen. Andere Familien, wie Friedrich Fischl und Otto Weil schätzten die Lage falsch ein, schlugen Warnungen wegen ihrer Redlichkeit in den Wind, und „büßten“ dafür mit dem Tode. Auf diese beiden wird sich im Weiteren konzentriert.

Friedrich Fischl ist in Toskanka-Vlksice (Kreis Pisek) in Südbohmen in einer jüdisch-deutschen Familie geboren worden. Der Geburtsort liegt im tschechischen Kerngebiet in der Nähe der Stadt Milevska (Mühlhausen), die schon im 17. Jahrhundert eine starke jüdische Gemeinde und Kultur mit eigenem Friedhof hatte. Die Eltern Leopold Fischl und Helene, geborene Berger hatten insgesamt acht Kinder. Von den Kindern überlebte den Holocaust niemand. Friedrich Fischl ist als Geschäftsmann in das rein deutsche Weipert gekommen und gründete auf dem Postplatz ein Delikatessengeschäft. Von Weipert aus ist noch ein Filialgeschäft in Annaberg eröffnet worden. Die Familie Fischl wohnte im Schneiderhofweg 922, neben dem Spengler Hermann Kluge. Friedrich Fischl war in einer Mischehe mit einer Katholikin Berta Hantsch verheiratet, die für die Familie glaubensprägend wurde. Aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor. Mit zwei Kindern seiner inzwischen verstorbenen ältesten Tochter Hana Gotzova, das sind die Enkelkinder von Friedrich Fischl, bin ich in Kontakt gekommen. Ihnen ist dieser Bericht mit zu verdanken.

Otto Weil und seine Frau Amalie wohnten Am Graben 827. Er machte Reklame mit einem Atelier für moderne Zahntechnik, Otto J. Weil, geprüfter Zahntechniker, Weipert, Restaurant Rohm. Ob er promoviert war, ist unbekannt. Sein Beruf wird in den Adressbuchern als Dentist angegeben. Von dieser Familie gibt es keine Nachkommen mehr.

Was war mit diesen zwei jüdischen Bürgern passiert? Mit dem Hinweis auf zwei Gräber kam nach und nach Licht in das dunkle Kapitel der Stadt Weipert.

Der unterhalb eines Waldsaumes des alten Weiperter Nachbarortes Pleil (heute Černy Potok) liegende intakte lang gestreckte Friedhof, neben der frisch restaurierten Kapelle, birgt zwei jüdische Gräber, die sofort auffallen. Der Besucher muss von der Kapelle ganz nach hinten gehen. Nach alter jüdischer Sitte werden von den Besuchern Steinchen auf dem Grabstein abgelegt. Das größere Grab gehört der Familie Fischl seit mehreren Generationen, am kleineren Grab daneben fehlt die Platte mit den Namen. Die Steinchen auf dem Grabstein weisen es wieder als jüdisches Grab aus. Für den Betrachter ist diese zweite Grabstätte anonym. Es handelt sich aber mit Sicherheit um das Grab von Otto Weil, denn es wird von den Fischl-Nachkommen bis heute mit gepflegt. Man fragt sich sofort, warum werden Weiperter Burger in Pleil beerdigt? Schaut man das Todesdatum von Friedrich (auf tschechisch: Bedřich) Fischl an, dann ist es das Datum der „Reichskristallnacht“. Was ist an diesem Tag in Weipert geschehen? Folgendes ist bekannt geworden:

Am 09.11.1938 fuhr Frau Berta Fischl per Autobus mit dem jüngsten Kind nach Kaaden zu einem Spezialarzt. Zu Hause war Friedrich Fischl mit seinen drei älteren Kindern. Die älteste Tochter Hanni (auf tschechisch Hana), die später einen Jaromir Götz heiratete, war damals 15 Jahre alt und hat ganz bewußt die Festnahme ihres Vaters miterlebt. Am 9.11.1938 wurde um 8.30 Uhr Friedrich Fischl noch in Freiheit gesehen. Das ist amtlich bestätigt. Danach kamen Männer mit braunen Uniformen und großen Hakenkreuzbinden am Arm. Ohne einen Grund der Verhaftung zu nennen, sagten sie zu dem Mädchen Hanni, sie brauche keine Angst zu haben, wenn die Mutter nach Haus kommt, ist der Vater auch wieder da. Er kam nie wieder. Dieses Vorgehen ist typisch für die SA als Vollstrecker des Verbrechens. Noch im Erwachsenenalter wird Tochter Hanni Götz immer wieder feststellen, unter den Schergen kein Weiperter Gesicht erkannt zu haben. Es müssen Fremde gewesen sein.

Das ist auch logisch. Vor dem Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich durch das Münchner Abkommen vom 29.09.1938 hatten die Weiperter mit sich und der Unterdruckung durch die Tschechen alle Hände voll zu tun. Schließlich war das gesamte Sudetenland sogar durch tschechisches Militär besetzt, so auch Weipert. Antisemitismus war in Weipert kein Hauptthema. Nach dem Anschluss atmete man zunächst auf, ohne zu ahnen, was man eingetauscht hatte. In der kurzen Zeit vom 29. September bis zur „Reichskristallnacht“ am 9. November, also in sechs Wochen, konnte man so schnell gar keinen flächendeckenden fundamentalen und fanatischen Judenhass entwickeln. Dieser musste aus dem Reich „importiert“ werden. Ein Produkt dieses „Importes“ war die Verhaftung oder besser das Kidnapping Weiperter Juden durch Fremde. Das besagt aber nicht, dass es in Weipert keine morallosen Gesellen und Fanatiker gab.

Die Verhafteten wurden in die „unendlichen“ und tiefen Wälder zwischen Weipert und Pleil geführt, durch Kopfschuss ermordet, mit Reisig zugedeckt und liegen gelassen. Mit den Ermordeten war noch eine dritte Person umgekommen, ein jüdischer Viehhändler aus Kaaden. Mir ist noch ein nicht ganz widerspruchsfreier Bericht bekannt geworden, dass die Tat zufällig im Wald beobachtet wurde. Der Beobachter konnte sich aus Angst unerkannt zurückziehen, hatte aber einen Weiperter als Kommandanten der SA erkannt. Auch wenn ich einen Namen kenne, will ich mich nicht in Spekulationen begeben.

Unbekannte Personen entdeckten nach 7 Monaten, am 11.06.1939, gegen 17 Uhr, die drei Leichen im Wald. Es wurde von den Findern Anzeige erstattet und man leitete anfänglich ein kriminaltechnisches Ermittlungsverfahren ein, was später abgebrochen wurde. Der herbeigeholte Weiperter Arzt, Dr. med. Bruno Frank, stellte als Stadtarzt (heute Amtsarzt) den Totenschein von Friedrich Fischl, Otto Weil und dem Viehhändler aus, weil er von den Behörden dazu aufgefordert wurde. Dr. Frank nannte und belegte wahrheitsgemäß den Eintritt des Todes durch Kopfschuss. Das sollte er aber nicht tun, sondern eine andere Todesursache benennen. Der Arzt blieb aus rein beruflichen Gründen konsequent, denn er bestätige nur das, was er gesehen hatte. Noch mehrfach wäre man danach von den Behörden in der Praxis und Wohnung erfolglos vorstellig geworden. Die Behörden behalfen sich deshalb mit einem Trick. Bei Friedrich Fischl, Nummer 21 im Weiperter Totenbuch von 1939, wird keine Todesursache vermerkt. Deshalb steht auf einem in heutiger Zeit angeforderten Totenschein vom 21.11.1991 unter Todesursache „nicht angegeben“ und unter Begrabnis „nicht angegeben“.

Nach dem Krieg meldete sich bei Dr. Franks Ehefrau anonym ein Mann und bekannte sich als Mörder. Sein damaliger Judenhass hatte ihn zu dieser Tat getrieben und er findet keine Ruhe.

Als Weiperter Bürger hätten die Leichen von Friedrich Fischl und Otto Weil nach dort überfuhrt werden müssen. Sie wurden aber in Pleil begraben. Der angebliche Grund, weil man sie auf Pleiler Flur gefunden hatte, ist eher fadenscheinig. Weipert drückte sich um die Bestattung, denn diese hätte Fragen aufgeworfen, die man so umgehen konnte. In den Zeitungen stand von den Vorkommnissen nichts und so erfuhr niemand etwas von diesem Verbrechen der Nazis, das man nicht aufklären, sondern vertuschen wollte. Auch diese Verschleierung und Trickserei eines Verbrechens war in Weipert wie in ganz Deutschland „Alltagsnormalität“. Da man das Todesdatum nicht genau kannte, wurde das Datum der Verhaftung am 9.11.1938 auf die Grabtafel geschrieben, obwohl nicht sicher ist, ob diese erst am 10.11.1938 stattgefunden hatte. Grabtafel und Todesurkunde vom 21.11.1991 differieren um einen Tag.

Bei meinen Recherchen setzte ich mich in jüngster Zeit auch schriftlich und mündlich mit der Matrikelabteilung des Weiperter Rathauses in Verbindung. Laut Auskunft hatte man dort angeblich keine Unterlagen zum Tod von Friedrich Fischl und Otto Weil. Das war mir zunächst auf Grund der Vorkommnisse plausibel, bis ich dann doch, dank der Enkel von Friedrich Fischl, an die Kopie eines Totenscheines der Stadt Weipert mit Siegel (Mĕstský Uřad Vejprty – Okres Chomutov) und Unterschrift Matrikelleiterin Hruba vom 21.11.1991 gekommen bin. Warum heute nach 20 Jahren die Stadtverwaltung von Weipert keine Auskunft mehr gibt, ist nicht nachvollziehbar.

Nach der Verhaftung von Friedrich Fischl hatte die Familie keine materielle Basis mehr. Die Kinder schwebten außerdem als Halbjuden weiter in Gefahr der Deportation in ein Konzentrationslager. Die Familie wurde von Weipertern unterstützt und bei besonderer Gefahr versteckt, was nicht ungefährlich war.

Mit dem Ende des Krieges waren die Probleme in der Familie Fischl immer noch nicht gebannt. Ein Sohn ging nach Israel. Alle anderen Familienmitglieder blieben in der CSSR. Frau Berta Fischl war bei Kriegsende in einem Lager und wurde daraus befreit. Sie bekam sofort eine verantwortliche Anstellung in der Verwaltung. Als man mitbekam, dass sie eigentlich Deutsche war, wurde sie sofort entlassen. Sie erhielt auch als Deutsche keine Rente. Frau Fischl musste durch fremde Unterstützung und die ihrer Kinder ihr Leben fristen. Als sie dann endlich 1968 im Zuge des so genannten Prager Frühlings einen Rentenantrag stellen durfte und eingereicht hatte, marschierten die Sowjets in der CSSR ein. Die Tschechen hatten soviel mit sich zu tun, dass der Antrag bis zu ihrem Tod am 2.2.1972 unbearbeitet blieb und danach gegenstandslos wurde. Frau Fischl starb hochgradig zuckerkrank, blind und mittellos.

In der DDR hatte der Pogrom an den Juden in Weipert am 9.11.1938 doch noch zu Ermittlungen geführt. Der Lehrer in Orpus/Dörnsdorf, später in Weipert und ab 1955 in Bärenstein, Karl Löffler, bekam in der Schule von Bärenstein Anfang der 60-er Jahre unangemeldeten Besuch von zwei Männern der Abteilung Inneres des Rat des Kreises Annaberg-Buchholz. Die Abteilungen Inneres waren für die innere Sicherheit des Kreisgebietes in den Kreisverwaltungen verantwortlich. Sie arbeiteten stets sehr eng mit den Dienststellen des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) zusammen. Solche Besuche waren in der Regel höchst unangenehm. Einer der Besucher stellte die Fragen, der zweite schrieb. Man fragte ihn, ob er als vormaliger Weiperter Bürger und Lehrer Friedrich Fischl und Otto Weil kannte und ob er weiß, wer diese verraten und ermordet hatte. Den Grund der Ermittlungen ließen sie nicht durchblicken. Karl Löffler kannte diese zwei allgemein bekannten Weiperter Burger, war aber 1938 noch Lehrer in Orpus und konnte die Fragen zu den Details wirklich nicht beantworten. Nachdem noch allgemein zur aktuellen politischen Situation gesprochen wurde, war nach etwa einer Stunde das Gespräch beendet. Danach hat er nie wieder etwas von dieser Angelegenheit gehört. Es ist anzunehmen, das die Ermittlungen erfolglos eingestellt wurden.

Hier ließe sich eventuell eine Verbindung zum Bürgermeister der Stadt Weipert, Paul W. Schenk, herstellen. In dem Beitrag zu seinem Leben, veröffentlicht in „Mei` Erzgebirg`“ im März 2011, hatte ich ausgeführt, dass er sich in der DDR vor Gericht in Gera wegen seiner Tätigkeit als Bürgermeister der Stadt Weipert verantworten musste, aber nicht verurteilt wurde. Eine Anzeige hatte vorgelegen. Prozessakten wurden, trotz umfangreicher Recherchen, nirgends aufgefunden. Der Kreis Annaberg-Buchholz könnte Amtshilfe geleistet haben.

Nach heutiger Lage der Dinge, wird das Verbrechen an den Juden in Weipert vom November 1938 nie mehr aufgeklärt werden können. Die Mörder, mit hoher Wahrscheinlichkeit alle schon verstorben, entgingen somit einem irdischem Gericht und einer Strafe. Sie haben allerdings mit dieser Schandtat und ihrem schlechten Gewissen fortan leben müssen.

Alle Familienmitglieder Fischl waren durch die grausamen Erlebnisse so stark traumatisiert, dass sie darüber bislang nicht sprechen konnten. Mit zwei Enkelkindern traf ich mich im Juni 2012 in Weipert. Sie waren betont freundlich, kooperativ und erleichtert, denn 74 Jahre nach dem gewaltsamen Tod an ihrem Großvater interessierte sich unerwartet ein Deutscher für das Schicksal der Familie Fischl und der jüdischen Mitburger in Weipert.

Wir Deutsche müssen solche Schicksale auch zur Kenntnis nehmen, verarbeiten und ehren. Sie gehören mit zu den Opfern von Willkür, Gewalt und Vertreibung, auch wenn sie bislang auf keiner Tafel genannt und in keiner Statistik erfasst wurden.

Bei allen, die mir bei diesem Beitrag geholfen haben, das waren nicht wenige, bedanke ich mich ausdrücklich. Man sehe es mir bitte nach, wenn ich keine einzelnen Namen nenne.

 

Das Grab der jüdischen Opfer von Weipert.