Cyrill und Method: Basis für Glauben sowie auch für Kultur gelegt

Weit über 100 Teilnehmer aus Deutschland, Tschechien, Ungarn und der Slowakei wohnten vom 11. bis 13. Oktober im Exerzitienhaus spectrumKIRCHE (Haus Mariahilf) in Passau dem VI. Symposium „Patrone Europas“ bei. Die vom Sozialwerk der Ackermann-Gemeinde zusammen mit der Katholischen Erwachsenenbildung im Bistum Passau organisierte Tagung widmete sich dem Thema „Patrone für Europas Einheit. Die Heiligen Cyrill und Method als Inspiration heute - 1150 Jahre nach Beginn der Slawenmission“. Neben den historischen Hintergründen ging es in den Vorträgen vor allem um die Bedeutung der beiden Heiligen für die tschechische und slowakische Kirche und Nation sowie für die Gestaltung Europas insgesamt.

Unter den Teilnehmern konnte Monsignore Dieter Olbrich, der Vorsitzende des Sozialwerks der Ackermann-Gemeinde, den Protektor des Sozialwerks Abt em. Emmeram Kränkl OSB, Probst Monsignore Anton Otte sowie Brunhilde Reitmeier-Zwick, die Bundesvorsitzende der Karpatendeutschen Landsmannschaft Slowakei e.V., willkommen heißen. Die Vorsitzende der Ackermann-Gemeinde in der Diözese Passau Ilse Estermaier wies in ihrem Grußwort auf die guten Kontakte zwischen ihrem Bistum und den Bischöfen der tschechischen Nachbarbistümer hin. Der Geschäftsführer des Sozialwerks Matthias Dörr rief die bisherigen Tagungen, die seit 2003 in der Benediktinerabtei Rohr stattfanden, in Erinnerung. Besonders erwähnte Dörr die Ernennung der Heiligen Cyrill und Method zu Mitpatronen Europas durch Papst Johannes Paul II. zum Jahresende 1980. Dies greife die Ackermann-Gemeinde seither stetig in ihrer Arbeit auf. Den Eröffnungsabend umrahmte mit modernen slowakischen geistlichen Liedern die Musikgruppe des Priesterseminars im Zipser Kapitel, Spišské Podhradie/Zips, die auch am Samstag – mit gregorianischen Chorälen und vierstimmigen Sätzen – die Frühmesse und die Vesper mitgestaltete.

Informationen über die historische Einordnung Cyrills und Methods gab der in Prag tätige Historiker und Publizist Doc. Mag. Jaroslav Šebek. Vor allem ging er auf das 19. und 20. Jahrhundert ein, wo die Beiden aus diversen Aspekten (kulturell, sozial, religiös, national, slawisch) wieder in den Fokus rückten. So etwa 1863, als eine Stärkung der böhmischen Identität einsetzte. Oder unter Papst Leo XIII., der den Einfluss der Christen im Osten anhob, wodurch sich deren „Position im Gemeinschaftsgedächtnis“ festigte – mit dem Ort Velehrad als Zentrum. Damit sei ein spiritueller Dialog zwischen Ost- und Westchristen und eine politische Annäherung der slawischen Völker in der Habsburger Monarchie eingeleitet worden. Diese slawischen Wurzeln seien auch bei der Gründung des neuen tschechoslowakischen Staates 1918 wieder aufgenommen worden. Mit dem Kommunismus ab 1948 sei die Tradition des Allslawismus in den Vordergrund gerückt, die Wallfahrten nach Velehrad seien ideologisch angereichert worden. In den 70er und 80er Jahren seien die böhmisch-nationalen Aspekte von Cyrill und Method betont worden, auch als Faktor gegen den westlichen Imperialismus. Erst die Aktionen Papst Johannes Pauls II. 1980 bis 1985 und ab 1988 das Programm zur geistlichen Erneuerung des Prager Kardinals František Tomášek hätten, so Šebek, eine angemessene Würdigung von Cyrill und Method gebracht. Ihre Idee habe „nicht an Bedeutung verloren, sie erinnern an die Wurzeln des Glaubens, der europäischen Kultur und der nationalen bzw. staatlichen Identität“, schloss der Historiker seinen Vortrag.

Die Bezüge zwischen dem damaligen Passauer Bischof Ermanerich und Cyrill und Method zeigte der Archivdirektor des Bistums Passau Dr. Herbert W. Wurster auf. Er skizzierte die historischen und geografischen Rahmenbedingungen im 9. Jahrhundert (Expansion des ostfränkischen Reiches, verbunden mit Missionierung) und verwies auf die beginnenden Konflikte zwischen Rom und Byzanz. In die Mission Richtung des heutigen Bulgariens sei damals auch das Bistum Passau involviert gewesen. Dabei kam es zu Begegnungen mit Missionaren aus Byzanz. Als im Frühjahr des Jahres 870 Method von Rom zum Plattensee zurückgeschickt wurde, sei - wohl auf Anweisung Bischof Ermanerichs - seine Gefangennahme erfolgt und ein Prozess eingeleitet worden. Method erhielt zwar eine Klosterhaft, konnte aber weiterhin seine bisherigen Aufgabe ausüben. Im Mai 873 bekam er das Amt eines Legaten des Bischofs von Ancona, während dem Passauer Bischof Zwangsmaßnahmen angedroht wurden. Archivar Wurster sprach zudem von heftigen theologischen Kontroversen zwischen Bischof Ermanerich und Method.

Zum Thema „Rezeption, Rolle und Verehrung der Heiligen Cyrill und Method“ referierte der in Leipzig und München wirkende Prof. Dr. Stefan Samerski. Auch er nannte die Orientierung Richtung Byzanz wie auch nach Rom als zentralen Aspekt jener Zeit. „Die Lebensleistung und Vita der beiden Slawenapostel wurde über Jahrhunderte weitgehend vergessen“, verdeutlichte Samerski. Zwar habe etwa König Wenzel von Böhmen die östliche Liturgie fortgeführt, in stärkerer Erinnerung seien Cyrill und Method aber in Mähren und in der Slowakei geblieben. Wie bereits Šebek nannte auch Samerski eine neue Würdigung der zwei Heiligen im 19. Jahrhundert. Damals seien sie als „Volkshelden, slawische Kulturbringer gegen die habsburgische Dominanz“, betrachtet worden – auch mit dem Verweis auf die Schaffung der Schriftsprache. Das Millenium der Christianisierung Böhmens und Mährens im Jahr 1863 habe dann zur Annäherung nationaler und kirchlicher Bestrebungen geführt. Weiter nannte der Referent den von 1921 bis 1923 wirkenden Erzbischof von Olmütz Anton Cyril Stojan, der ein bedeutender Förderer der Annäherung von Ost und West bzw. der cyrillo-methodianischen Idee war. Auch Papst Leo XIII. habe den Aspekt gefördert – durch eine Enzyklika über die Slawenapostel („Grande Munus“, 30. September 1880) und durch die Einführung eines speziellen Festtages. Die Gründung der CSR habe jedoch eine konfessionellen Spaltung (Nationalpatrone!) zwischen Slowaken (Cyrill und Method) und Tschechen (Jan Hus) mit sich gebracht. Erst 1925 konnte die Frage der Gedenktage geklärt werden. Im Kommunismus der 50er Jahre sei „die kulturelle Untermauerung einer von Rom getrennten Kirche“ immer deutlicher geworden, erst in den 80er Jahren (Papst Johannes Paul II., Schlussakte von Helsinki) seien die Aspekte Menschenrechte und Religionsfreiheit in den Vordergrund gerückt. Mit der Würdigung der zwei Slawen zu Mitpatronen Europas habe der Papst auch die „integrale abendländische Wertegemeinschaft“ betont und es geschafft, „Cyrill und Method in das europäische Bewusstsein zu katapultieren“, so Samerski zusammenfassend.

Die Bedeutung der beiden Patrone für die slowakische Kirche und Nation beleuchtete der Generalvikar Monsignore Prof. Dr. Anton Tyrol von Spišské Podhradie/Zips. Er verwies auf das von der slowakischen Bischofskonferenz beschlossene Jubiläumsjahr und die für die Slawenapostel wichtigen Aspekte ihrer Arbeit: Glaube und Religion. Cyrill und Method stünden, so Tyrol, auch eng mit der Bildung der slowakischen Nation in Zusammenhang, ebenso manche typischen Formen des Glaubens (Symbole, Volksfrömmigkeit, Marienkult, Traditionen, Spiritualität). Und das sei auch „die Basis für die gesellschaftlich-kirchliche Einheit“, was sich auch in kirchlichen und bürgerlichen Vorschriften bzw. Gesetzen finde. So wird in der Präambel der slowakischen Verfassung auf das geistige Erbe Cyrills und Methods verwiesen. Der Generalvikar nannte ferner die Auswirkungen auf Wissen und Kultur (slawisches Alphabet, Öffnung von Schulen als Grundlage für eine gesellschaftliche Ordnung) und brachte das Fehlen des Gottesbezuges in der Europäischen Verfassung in Bezug zum vielfach feststellbaren Werteverfall oder dem Zerfall von Gemeinschaften. Weiter erwähnte Tyrol die Bedeutung Cyrills und Methods für den Ökumenismus bzw. interreligiösen Dialog, was die Reisen der Apostel zu den Chasaren in Zentralasien zeigen. Darin drücken sich auch die Ehre gegenüber Andersgläubigen und der Mut zur Diskussion – auch über die Wahrheit – aus. Für die Christen von heute sind Cyrill und Method für den Generalvikar ein Vorbild, trotz aller Umstände nicht aufzugeben und ständige Zeugen Christi zu sein.

Welche Bedeutung die Patrone für die tschechische Kirche und Nation haben, erläuterte der in Budweis tätige Doc. ThDr. Rudolf Svoboda. Er betonte den Aspekt der Diakonie bzw. der Sozialarbeit und sprach von einem „tiefen Respekt“ gegenüber diesen zwei Schirmherren Europas. Diese stünden nämlich für die verbindenden Werte in Europa, für die Ökumene und eine gemeinsame europäische Identität. In diesem Kontext nannte er das Wirken tschechischer Salesianer in Bulgarien. Für die tschechische katholische Kirche wünscht Svoboda eine Belebung durch die Besinnung auf die Slawenapostel. „Das Erbe von Cyrill und Method wird in den kommenden Jahren nicht untergehen“, schloss Svoboda seine Ausführungen.

Inwieweit die zwei Heiligen als Inspiration für die Gestaltung Europas dienen, dieser Frage widmete sich Prof. Mag. Dr. Emilia Hrabovec. Ihr Ausgangspunkt war das Europabild bei Papst Johannes Paul II., der das ganze Europa, vom Atlantik bis zum Ural, im Blick hatte – trotz geografischer und mentaler Zerrissenheit Europas bei seinem Amtsantritt. Sein Ziel sei die „Erneuerung der Einheit und der Werte“ gewesen, wobei es ihm auch darum ging, die slawischen Völker als integralen Bestandteil Europas zu sehen und diesen eine Stimme zu verleihen. Genau in diesen Zusammenhang habe er die Slawenapostel mit seinen Aktivitäten zwischen 1980 und 1985 gestellt. Mit der Erhebung Cyrills und Methods zu Mitpatronen Europas habe der Heilige Vater den „östlichen Völkern das geistige Gedächtnis zurückgeben“ wollen und den Katholiken slawischer Herkunft einen starken moralischen Auftrieb ermöglicht. Im Westen seien diese Initiativen, so Hrabovec, zunächst eher auf Gleichgültigkeit gestoßen. Erst als deren Funktion als ideale Brücke zwischen Ost und West deutlich wurde und damit auch die Vielfalt des Katholischen, wandte sich auch der Westen stärker dem Thema zu. Hrabovec wies auch auf deren Vorbild für die Neuevangelisierung Europas (Inkulturation!) hin, erwähnte aber auch ein Misstrauen aufgrund der Herkunft des Papstes. Dennoch habe dieser Schritt eine starke Resonanz (z.B. Kroatien, Velehrad) gehabt, und letztlich sei auch die Integration der osteuropäischen Länder in die EU dadurch mitgefördert worden.

Zwei Begriffe, die bei Hrabovecs Vortrag angesprochen wurden, nämlich Inkulturation und Neuevangelisierung, vertiefte der frühere Erzbischof von Prag, Miloslav Kardinal Vlk. Als Faktoren, welche die Welt gravierend verändern, nannte er die Säkularisation und die Globalisierung. Neben anderen Aspekten verwies er auf das von Papst Benedikt XVI. initiierte Jahr des Glaubens, aber auch auf Papst Franziskus als Elemente zur Vertiefung des Glaubenslebens. „Es ist wichtig, dass wir zu den Wurzeln unseres Glaubens zurückkommen“, meinte der Kardinal zum Jubiläum des Beginns der Slawenmission. „Heute ist es nötig, mit einer verständlichen Sprache gegenüber den modernen Heiden zu sprechen“, würdigte er die in klaren Worten vollzogene Missionsarbeit von Cyrill und Method. Daher sei heute ein ernster Dialog auch mit Nichtgläubigen bzw. Leuten mit einer anderen geistig-kulturellen Orientierung grundlegend. Hier verwies Kardinal Vlk auf den Begriff der Barmherzigkeit, was bedeute, mit diesen Leuten nicht von oben herab zu kommunizieren. Darüber hinaus stellt der frühere Oberhirte vielfach eine Suche nach dem Sinn des Lebens, nach Glauben, ja nach Gott fest. „Cyrill und Method haben auch unser Land zur Kulturnation gemacht, durch sie haben wir ein großes Geschenk bekommen“, kam er auf deren Leistungen, nicht nur hinsichtlich Schrift und Sprache, sondern auch bezüglich der Rechtskultur – immerhin wichtige Punkte für die 70 Prozent „Nichtgläubigen“ in Tschechien. „Die Würdigung dieser Glaubensboten bedeutet für die Leute, dass sie wahrnehmen, dass die Religion sehr wichtig für die Kultur ist, dass die Kirche der Nation die höchste Kultur gebracht hat“, nannte Vlk einen weiteren Punkt und wies darauf hin, dass den Leuten zunehmend bewusst werde, dass die Kirche etwas zu sagen hat. „Die Ankunft von Cyrill und Method in Mähren war ein musterhaftes Beispiel der Inkulturation für Volk und Staat. Sie gaben ein Zeichen, dass die Evangelisierung heute vor allem durch das Zeugnis des Lebens geleistet wird“, deutete er für die Jetzt-Zeit. Und es gelte ferner, die Heilige Schrift in das Leben der Christen zu holen und damit eine Gemeinschaft mit Gott und zwischen den Menschen zu bilden.

Zum Symposium gehörten am Samstagfrüh eine Morgenmesse, am Spätnachmittag eine Vesper, beide in der Kapelle des Tagungshauses, sowie ein Pontikalamt im Passauer Dom St. Stephan, dem Erzbischof em. Miloslav Kardinal Vlk als Hauptzelebrant und Prediger vorstand. Bei der Vesper appellierte er an die Gläubigen, „in der uns von Gott gegebenen Gemeinschaft der Liebe zu leben“. In der Predigt beim Pontifikalamt appellierte er an die Gottesdienstbesucher, für den Glauben Zeugnis zu geben und die reale Nähe Gottes in der Verkündigung, in der Liturgie und in der Eucharistiefeier, aber auch in der Familie oder in den verschiedensten Lebenswelten wahrzunehmen. Diese gefühlte Präsenz Gottes habe im Kommunismus, so der Kardinal, große Kraft gegeben, „das ist die stärkste Erfahrung aus der Zeit des Kommunismus“. Und solche Erfahrungen könnten auch zur Vertiefung des Glaubens beitragen - „mit Gott und in Gott zu sein. Für ihn Zeugnis abzulegen, ist unsere wichtigste Aufgabe und Basis der Neuevangelisierung“. Der Kardinal erinnerte auch an die Unterstützung durch die Ackermann-Gemeinde. „Von Anfang an hat die Ackermann-Gemeinde an uns gedacht, nicht nur materiell, auch psychologisch. Es war klar, dass wir Freunde im Westen haben, das hat uns geschützt. Auch dieser psychologische Schutz war wichtig“, zollte er Anerkennung und Dank.

Markus Bauer

Vorsitzender des Sozialwerks <br/>der Ackermann-Gemeinde <br/>Msgr. Olbrich