Caritas in Diözese Ostrau vor großen Aufgaben

Seit Februar ist Pater Dr. Jan Larisch, Mitglied der Sdružení Ackermann-Gemeinde, Präsident der Caritas in der mährisch-schlesischen Diözese Ostrau-Troppau (Ostrava-Opava). Über die neuesten Entwicklungen und anstehende Herausforderungen sprach mit ihm Gerold Schmiedbach, Vorsitzender der Ackermann-Gemeinde in der Diözese Mainz.

Schmiedbach: Pater Dr. Larisch, Sie sind Pfarrer in der Gemeinde Svínov/Schönbrunn in Ostrau und waren am Bischöflichen Gymnasium Spiritual und unterrichteten die Fächer Religion und Ethik. Zum 1. Februar 2012 hat Sie Ihr Bischof Lobkowícz zum Präsidenten der Caritas in der Diözese Ostrau-Troppau ernannt. Sie behalten aber Ihre Pfarrstelle. Sie waren ein begeisterter und hochgeschätzter Pädagoge. Haben Sie mit Ihrer neuen Aufgabe Frieden gefunden?

Dr. Larisch: Es war für mich eine unerwartende Überraschung – ein ganz neu Arbeitsbereich.  Ich bin auch sehr zufrieden, da ich am Gymnasium einen sehr guten Nachfolger habe. Meine Aufgabe bei der Caritas ist eine große Herausforderung. In unserer Diözese gibt es in 17 Orten selbständige Caritas-Stellen, die Zentrale ist in Ostrau. Wir haben gut 1.000 fest angestellte und dazu kommen noch ehrenamtliche Mitarbeiter. Mir obliegt die Pflege der geistlichen Seite der gesamten Organisation, das heißt, ich betreue die Direktoren und alle Beschäftigten. Einmal im Jahr richte ich Exerzitien für alle Direktoren und eine Pilgerfahrt für alle Angestellte und auch Klienten aus.

Schmiedbach: Könnten Sie Ihre Arbeit noch näher beschreiben?

Dr. Larisch: Ich besuche alle Caritas-Stellen. Dabei geht es einmal darum, die Beschäftigten nach dem gegenseitigen Kennenlernen mit der Lehre und mit dem Anliegen des Christentums vertraut zu machen, denn nicht alle bei uns Tätigen sind Christen. Zweitens spreche ich mit den dort jeweils zuständigen Pfarrern und erkläre ihnen die Wichtigkeit von Caritas. Es gibt Dekane und Pfarrer, die die Bedeutung von Caritas nicht umfassend genug einschätzen. Ich versuche, sie für die Mitarbeit zu gewinnen und deutlich zu machen, dass zu ihren Aufgaben auch die Unterstützung der Anliegen der Caritas gehören.

Schmiedbach: Und die Aufgaben der Caritas sind?

Dr. Larisch: Es gibt hier am östlichen Rand Tschechiens viele arme Menschen, die wir betreuen. Wir pflegen Alte und Kranke und helfen Obdachlosen. Wir unterhalten Asylhäuser, Einrichtungen für allein stehende Frauen mit Kindern und in Ostrau das Hospiz „Hl. Lukas“ sowie eine beschützende Werkstätte.
Nach dem Hochwasser im Jahe 1997 baute Caritas in Ostrau sogenannte VESNIČKA SOUŽITÍ = das Dorf des Zusammenlebens. Dieses wurde im Jahre 2002 eröffnet und 30 kleine Häuser wurden für ungefähr 150 sozial schwache Leute zur Verfügung gestellt. Ein Gemeindezentrum ist auch Bestandteil des Dorfes. Die Caritas arbeitet für und mit diesen Familien. Das ist ein Pilotprojekt, das einzige in der ganz Tschechien.

Schmiedbach: Das sind riesige Aufgaben. Wer finanziert das alles?

Dr. Larisch: Wir leben von Spenden. Sehr wichtig ist für uns die Dreikönigssammlung, die die Caritas immer von 1. bis 14. Januar in der ganzen Republik organisiert. Staat und Kommunen zahlen immer weniger Beiträge zur Finanzierung dieser sozialen Aufgaben. Für einige Dienste sollen Klienten auch einen kleinen Beitrag zahlen.

Schmiedbach: Mussten Sie nach der Wende 1989 ganz von vorne anfangen?

Dr. Larisch: Offiziell nicht ganz, aber praktisch mussten wir ganz von Vorne beginnen. Während der kommunistischen Zeit existierte `Česká katolická charita  (ČKCH), aber die Tätigkeit dieser Organisation war sehr eingeschränkt. Der Staat hat nur drei Bereiche der Arbeit für die Caritas erlaubt. Wir durften unter Aufsicht des Staates Caritasheime für alte Priester und Ordenschwester betreiben und ein paar Geschäfte mit Devotionalien ausüben. Unter Kontrolle des Staates konnte ČKCH von Zeit zu Zeit ein paar Bücher mit begrenzter Auflage herausgeben. Im Bereich sozialer Arbeit mit der Bevölkerung war das Eingreifen des ČKCH verboten. Hier mussten wir nach der Wende im Jahre 1989 ganz von Anfang beginnen.

Schmiedbach: Aber die Caritas hat doch in Mähren eine recht lange Tradition.

Dr. Larisch: Von 1904 bis 1950, spielte die Caritas eine große Rolle. Ich bin gerade dabei, über diese für die Caritas in Ostrau  - damals Mährisch Ostrau - wichtige und für die Bevölkerung segensreiche Epoche ein Buch zu schreiben, um unseren Mitarbeitern und der Bevölkerung zu zeigen, an welche Tradition wir heute anknüpfen können.

Schmiedbach: Sie sind Mitglied der Sdružení Ackermann-Gemeinde, der Schwesterorganisation der deutschen Ackermann-Gemeinde. Seit über zehn Jahren besteht eine blühende Partnerschaft der Diözese Ostrau mit der Ackermann-Gemeinde der Diözese Mainz, die sich vor allem auf Begegnungen und gegenseitige Unterstützungen mit dem Bischöflichen Gymnasium in Ostrau konzentriert und allen Beteiligten Gewinn bringt. Sie und ich sagen stets: “Trefft Euch so gut und so oft es geht!“.

Dr. Larisch: Diese Beziehungen müssen gepflegt und fortgeführt werden Unser Bischof wünscht, dass ich diese Sache weiter unterstütze. So begleite ich unsere Schüler zu Ihren jährlichen Jahrestagungen in Heppenheim und beteilige mich dort an Gesprächen und mit Vorträgen. Unsere Jugendlichen mit der Ackermann-Gemeinde vertraut zu machen, Ihre Diözese kennen zu lernen, Freundschaften zu schließen und zu pflegen, Themen zu bearbeiten, die Deutsche und Tschechen interessieren, die Möglichkeit, Deutschkenntnisse zu verbessern, hat einen hohen Stellenwert. Das gegenseitige Kennenlernen ist unabdingbar, schon aus der Sicht der Vergangenheit, aber auch für unsere Zukunft in Europa

Schmiedbach: Könnten wir die Caritas noch weiter in unsere gemeinsame Arbeit einbeziehen?

Dr. Larisch: Hier sollten wir von einander lernen können. Wir sollten den Erfahrungsaustausch weiter vertiefen. Die Caritas hat in unseren beiden Diözesen eine große Bedeutung. Wir haben es auch nirgends leicht. Wenn wir Erfahrungen austauschen, kann das für beide Seiten nur von Nutzen sein.

Internetseite der Caritas Ostrau-Troppau (überwiegend in tschechischer Sprache): www.ostrava.charita.cz

Caritas (Charita) in der Diözese Ostrau-Troppau