Brückenbauer der ersten Stunde erhält höchste bayerische Auszeichnung

Am 17. Dezember 2014 wurde Franz Olbert (Generalsekretär der Ackermann-Gemeinde 1976-1998) vom Bayerischen Ministerpräsident Horst Seehofer für seine Verdienste um die deutsch-tschechische Verständigung der Bayerische Verdienstorden verliehen. Der Bayerische Verdienstorden ist die höchste Auszeichnung, die der Freistaat Bayern verleiht.

"Mit Franz Olbert ehrt der Freistaat Bayern eine der zentralen Gestalter der Annäherung zwischen Sudetendeutschen und Tschechen“, so der Bundesvorsitzende der Ackermann-Gemeinde, Martin Kastler, zur Verleihung des Bayerischen Verdienstordens an den ehemaligen Generalsekretär seines Verbandes. „Er war schon Brückenbauer als andere sich den Kontakten noch verweigerte“, hebt der ehemalige CSU-Europaabgeordnete die Vorreiter Rolle der Ackermann-Gemeinde hervor. „Schon lange vor der Wende schuf Franz Olbert neue Kontakte, indem er das tschechische Exil unterstützte und der verfolgten Kirche, Dissidenten und Angehörigen der deutschen Minderheit in der kommunistischen Tschechoslowakei half. Besonders sein Mut, hinter dem Eisernen verfolgten Christen und der Untergrundkirche vor Ort zu helfen, verdient höchste Anerkennung,“ würdigt der europapolitische Sprecher des ZdK den Geehrten.

Nach der Samtenen Revolution entstand ein Netzwerk, auf das Olbert den nun offenen Einsatz der Ackermann-Gemeinde für Verständigung und Versöhnung aufbauen konnte. Kastler verweist darauf, dass die großen sudetendeutsch-tschechischen Versöhnungsinitiativen im ersten Jahrzehnt nach der Wende mit Olberts Namen verbunden sind, ebenso wichtige Plattformen des Dialogs. „Er bereitete durch seinen Einsatz den Boden für ein späteres engeres Miteinander auf politischer Ebene vor. Dies erkennt der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer mit dem Bayerischen Verdienstorden an“, freut sich Kastler.

Auch die offizielle Begründung zur Ordensverleihung stellt seinen Einsatz für die deutsch-tschechische Annäherung in den Mittelpunkt: „Herr Olbert hat durch seine unermüdlichen Bemühungen dazu beigetragen, die Aussöhnung von Vertriebenen mit Tschechien voranzubringen. Durch sein besonderes Engagement und sein immerwährenden Einsatz für die Völkerverständigung hat er sich in hervorragender Weise um den Freistaat Bayern und seine Bürgerinnen und Bürger verdient gemacht.“ Der Bayerische Verdienstorden werde im „als Dank und Anerkennung für diese Lebensleistung“ verliehen.

Die Verleihung des Verdienstordens nahm der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer im Rahmen einer Feierstunde im Antiquarium der Münchner Residenz vor. In seiner Ansprache ging Seehofer auf die Eröffnung der Bayerischen Repräsentanz in Prag wenige Zeit zuvor ein. Er bezeichnete sie als „eine der schönsten Momente in meiner Zeit als Bayerischer Ministerpräsident“ und betonte: „Das gemeinsame Europa beginnt bei den Bürgern.“ Ganz in diesem Sinne, aus christlichem Geist heraus, hat Franz Olbert über Jahrzehnte in der Ackermann-Gemeinde gewirkt.

Franz Olbert, 1935 in Schlettau im Schönhegstgau geboren, gehört zum Urgestein der Ackermann-Gemeinde. Von 1976 bis 1999 wirkte er als deren Generalsekretär. Ebenfalls seit 1976 bis 2011 war er stellvertretender Vorsitzender und ehrenamtlicher Geschäftsführer des Sozialwerks der Ackermann-Gemeinde. Das zeigt schon: Er steht ganz maßgeblich hinter allen Aktivitäten, durch welche die Ackermann-Gemeinde in den vergangenen Jahrzehnten zur Eingliederung der Vertriebenen, zur Aufarbeitung alten Unrechts und zur Neugestaltung der deutsch-tschechischen und deutsch-slowakischen Nachbarschaft beigetragen hat und beiträgt. Dabei hatte er immer beide Seiten im Auge. Er arbeitete für die Eingliederung der vertriebenen Sudetendeutschen. Dazu gehörte auch sein Beitrag zur Gründung eines „Arbeitsausschusses Sozialversicherung e.V.“. Als dessen stellvertretender Vorsitzender trug er dazu bei, dass rund 950.000 Sudetendeutsche trotz des Eisernen Vorhangs aus der ČSSR Nachweise über die Einzahlungen erhielten, die sie früher in der alten Heimat an die dortigen Rentenversicherungsträger geleistet hatten. Nur so konnten sie in Deutschland ihre Rentenansprüche belegen und insgesamt mehrere Milliarden Deutsche Mark Rentenleistungen ausgezahlt erhalten, die ihnen sonst womöglich mangels Nachweises versagt geblieben wären. Im Rahmen des Sozialwerks half er auch jenen Sudetendeutschen, die das Schicksal in die Sowjetische Besatzungszone verschlagen hatte. Und er vergaß nicht die Heimatverbliebenen. Um ihre geistige Not zu lindern, lud er bald nach der Wende zu kulturellen Begegnungen ein. Aber schon seit den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts ließ er ihnen materielle Hilfen zukommen; noch heute erhalten nicht wenige Bedürftige alljährlich eine finanzielle Weihnachtsgabe. Als Christ sah sich Olbert in besonderer Weise durch die Verfolgung der Kirche unter der kommunistischen Diktatur herausgefordert. Priester und Laien in der damaligen Tschechoslowakei und in der Sowjetischen Besatzungszone hatten in ihm einen Helfer, der mit unerschöpflichem Ideenreichtum immer neue Wege fand, den verfolgten Christen zu helfen und das Überleben der Kirche zu ermöglichen. Damit war zugleich der Boden bereitet, auf dem nach der Wende der Aufbau einer neuen Nachbarschaft gewagt werden konnte.

Olbert erkannte schon früh, dass es wichtig ist, auch außerhalb des eigenen Verbandes mitzureden, um so seinen Zielvorstellungen breitere Akzeptanz zu verschaffen. So übernahm er zusätzlich Verantwortung als Vorsitzender des Hauptausschusses der Flüchtlinge und Ausgewiesenen in Bayern, als Mitglied des Landesvorstands der Union der Vertriebenen in Bayern und als Mitglied des Landesvorstands des Bundes der Vertriebenen in Bayern. Innerhalb der katholischen Kirche engagierte er sich als Präsidiumsmitglied des Katholischen Flüchtlingsrates, als Präsidiumsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Vertriebenenorganisationen, als Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, als Mitglied der Menschenrechtskommission der deutschen Sektion von Justitita et Pax und als Mitglied des Aktionsausschusses der Solidaritätsaktion Renovabis. Er war Mitgründer des Internationalen Instituts für Nationalitätenrecht und Regionalismus und der Bernard-Bolzano-Stiftung in Prag.

Über viele Jahre war er Mitglied des Verwaltungsrats des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, von dem Begegnungen und andere deutsch-tschechische Projekte finanziert werden. Die mehrfache Berufung durch die Bundesaußenminister in dieses Gremium zeigt, welch großes internationales Ansehen Olbert genießt. Er scheut sich nicht, auch gegenüber tschechischen Partnern Unrecht anzusprechen. Er will erreichen, dass Geschehenes anerkannt wird. Aber immer will er zugleich den Weg zu einer Versöhnung ebnen.

Zwei Persönlichkeiten haben Olbert besonders geprägt. Ein Leitbild war für ihn der Gründer der Ackermann-Gemeinde: Hans Schütz, der sudetendeutsche christliche Gewerkschaftler und spätere bayerische Staatsminister. Olbert ist in seine Fußstapfen getreten und hat sich sein ganzes Leben lang aus christlicher Verantwortung mit Mut und Beharrlichkeit gesellschaftlich und politisch engagiert. Die andere große Persönlichkeit ist Papst Johannes XXIII. Olbert zitiert immer wieder dessen Enzyklika „Pacem in terris“. Aber er zitiert sie nicht nur. Er fühlt sich durch sie herausgefordert, gerade auch bei seiner Arbeit an den deutsch-tschechischen und deutsch-slowakischen Beziehungen.

Mit dem Bayerischen Verdienstorden erfährt er nach der Bayerischen Europamedaille die zweite hohe Ehrung durch den Freistaat Bayern. Zuvor war er für sein vielfältiges und segensreiches Wirken bereits durch den Bundespräsidenten mit dem Bundesverdienstkreuz, durch den tschechischen Außenminister mit dem Gratis-Agit-Preis und durch den tschechischen Präsidenten mit der Verdienstmedaille der Tschechischen Republik geehrt worden.

Matthias Dörr

 

Foto: Bayerische Staatskanzlei

Horst Seehofer (r.) ehrt Franz Olbert.