Auf nach Bautzen, nach Budyšin!

Die Ackermann-Gemeinde lädt für den 2. bis 5. August 2012 zum Deutsch-Tschechischen Bundestreffen ein - nach Bautzen. Das Thema: „Europa - unsere Verantwortung. Erfahrungen - Herausforderungen - Visionen.“ Warum aber nach Bautzen?

Bautzen ist interessant - gerade, wenn wir uns mit der Vielfalt Europas befassen - und es liegt mittendrin. Im Osten liegt heute Polen, im Süden ist die tschechische Grenze ganz nah. Und die Oberlausitz, deren Zentrum Bautzen ist, hat eine reiche und recht wechselhafte europäische Geschichte, die mit dieser Lage zu tun hat und sich im Bild dieser alten Stadt spiegelt.

Der Stadtkern - gelegen auf einem Felsen über der Spree  - zeigt frühe germanische Spuren. Im Ergebnis der Völkerwanderung finden wir slawische Stämme in der Region, auf die die bis heute hier siedelnden Obersorben zurückgehen. Um 1200 n.Chr. kamen deutsche Kolonisten ins Land. Bautzen hat wechselnd einmal zu Polen, später mehrfach zu Böhmen, zu Brandenburg, kurz sogar zu Ungarn gehört. Im 30-jähri­gen Krieg schließlich kam die Stadt mit der Oberlausitz zum Kurfürstentum Sachsen.

Heute ist Bautzen Verwaltungsstandort und hat eine gewisse wirtschaftliche Stärke durch seine gut gemischte Branchenstruktur (nicht zu vergessen ist der Bautzener Senf!) und Bedeutung im Tourismus entwickelt. Die Stadt hat nach Eingemeindung der Vororte heute ca. 41.000 Einwohner.

Das Besondere: die Sorben

Bis heute siedeln in der Oberlausitz die Obersorben, ein westslawisches Volk, nahe verwandt mit den Tschechen - Bautzen ist ihr Zentrum. Etwa 5-10% der Bautzener Bevölkerung sind Sorben. Insgesamt etwa 40.000 Personen bekennen sich in Sachsen zum Sorbischen Volk (hinzu kommen in der Niederlausitz - also in Brandenburg - noch ca. 20.000 Niedersorben, deren Zentrum Cottbus ist).

Seit dem 19. Jahrhundert ist mit dem nationalen Erstarken der slawischen Völker in Bautzen eine große Anzahl verschiedener Institutionen und Einrichtungen entstanden - u.a. die Domowina, ein nationaler Verband, ein sorbisches Gymnasium, ein sorbisches Institut, ein eigener Verlag, ein sorbischer Rundfunk, das deutsch-sorbische Volkstheater, das sorbische Nationalensemble, verschiedene weitere Kultur- und katholische Vereinigungen.

Der Freistaat Sachsen hat - wie das Land Brandenburg zuvor - diese nationale Minderheit mit einem besonderen Sorben-Gesetz unter Schutz gestellt. Sie kann daher u.a. im Siedlungsgebiet der Sorben ihre Sprache in Ämtern und öffentlich gleichberechtigt benutzen. Wir sehen im Raum Bautzen die zweisprachigen Ortsschilder - eben auch für die Stadt Bautzen: Budyšin!

Die „Stiftung für das sorbische Volk“, von den Ländern Brandenburg und Sachsen errichtet und gemeinsam von diesen Ländern und dem Bund finanziert, unterstützt die Pflege der Kulturarbeit der Ober- und Niedersorben und verleiht regelmäßig einen Preis für besondere kulturelle Leistungen.

Kirchliches Leben

Auch kirchlich betrachtet ist Bautzen besonders bemerkenswert. Es ist nur zu etwa einem Drittel konfessionslos - das ist für die „neuen“ Bundesländer eine niedrige Zahl!  Die evangelischen Christen bilden die große Mehrheit: Die Kirchgemeinde von St. Petri ist die größte evangelische Gemeinde Sachsens, die katholische Gemeinde St. Petri gehört zu den größten Gemeinden des Bistums Dresden-Meißen, und beide Gemeinden teilen sich seit der Reformation den Bautzener Dom. Er ist eine Simultankirche besonderer Art - wir werden dort Gottesdienst feiern.

Nach seiner Gründung 1921 hatte das Bistum Meißen hinter diesem Dom seinen Sitz. Der Dom war Bischofskirche, bis 1979 Dresden Bischofssitz des Bistums Dresden-Meißen wurde. Heute ist dieser Dom die zweite Kirche des Bischofs, also Konkathedrale des Bistums Dresden-Meißen.

Bautzen hat auch dunkle Orte aus der jüngsten Vergangenheit.

Im Norden der Stadt war Anfang des 20. Jahrhunderts eine Landesstrafanstalt errichtet worden (gelbe Klinker: im Volksmund bezeichnet als „Gelbes Elend“), in der während der NS-Zeit politische Gefangene eingesperrt waren. 1945-1950 unterhielt die sowjetische Besatzungsmacht ein Internierungslager, das etwa 26.000 Menschen unter harten Bedingungen durchlaufen mussten; etwa 2700 Todesfälle sind nachgewiesen. Nach 1950 übernahm die DDR die Anlagen, in denen mehrfach vorbestrafte Kriminelle, Langzeitverurteilte und zugleich viele von der DDR-Rechtsprechung kriminalisierte Regimekritiker unter ebenfalls unmenschlichen Bedingungen einsaßen. Wir werden Gelegenheit haben, diese Stätte, heute ein Gedenk- und Erinnerungsort, zu besuchen.

Bautzen ist gut zu erreichen und schön!

Die Stadt liegt etwa 50 km östlich von Dresden - es gibt eine gute Eisenbahn-Anbindung und zwei Autobahnabfahrten von der Autobahn Dresden-Görlitz. Kommt man von der Autobahn, so sieht man die Stadt sehr attraktiv mit ihrer eindrucksvollen Silhouette in der milden Oberlausitzer Landschaft. Der Baedeker spricht von „einer städtebaulichen Schönheit erster Güte“. Bummelt man durch die Innenstadt mit Ihren gepflegten Häusern, Plätzen und Gassen, so gibt es viel Spannendes zu entdecken - ohne, dass die Wege zu weit werden. Beim Bundestreffen gibt es Gelegenheit, viele besonders markante Orte kennen zu lernen.

Und die schöne Oberlausitz wie auch das böhmische Niederland werden das Ziel der Sternfahrt sein und wären auch für einen kleinen Urlaub im Anschluss an das Bundestreffen sehr gut geeignet.

Also: Auf nach Bautzen!

Dr. Gerburg Thunig-Nittner

Stellvertretende Bundesvorsitzende