20 Jahre Arbeitsstelle Prag: Viele Wege gebahnt

Eine Arbeitsstelle der Ackermann-Gemeinde im Ausland gab es schon seit 1972. Damals war in Rom eine „Rappresentanza dell‘ Ackermann-Gemeinde di Monaco di Baviera per affari d’Europa centro-orientale“ errichtet und Msgr. Dr. Norbert Kocholaty mit der Leitung beauftragt worden. Ab 1976 bekleidete Prälat Prof. Dr. Josef Rabas dieses Amt, bis das „Rombüro“ nach der Wende im Jahre 1991 aufgelöst wurde. Es war die Idee von Franz Olbert und Prof. Dr.h.c. Josef Stingl, statt dessen eine neue Arbeitsstelle der Ackermann-Gemeinde in Prag zu errichten. Der Plan wurde im Herbst 1991 unter dem neuen Bundesvorsitzenden Herbert Werner verwirklicht.

Der Plan wurde im Herbst 1991 unter dem neuen Bundesvorsitzenden Herbert Werner verwirklicht. Die zeitliche Nähe der beiden Ereignisse könnte den Eindruck erwecken, daß es Aufgabe der Arbeitsstelle Prag gewesen wäre, die bisher in Rom geleistete Arbeit in der Sache unverändert, nur eben an einem anderen Ort fortzusetzen. So aber war es nicht. Aus der neuen weltpolitischen Lage ergaben sich ganz neue Herausforderungen. Rom – das war die Zeit des Eisernen Vorhangs gewesen. Da hatte es – nach einer von Prälat Rabas selbst formulierten Aufgabenbeschreibung – nur darum gehen können, „religiöse, kirchliche und kirchenpolitische Entwicklung in unserer früheren Heimat zu beobachten, zu studieren und zu analysieren, darüber dann aber nach Möglichkeit zu informieren.“ Im Jahre 1991 aber ergab sich die Chance zu handeln. Jetzt war die Bahn frei, um für die Ziele der Ackermann-Gemeinde auch in dem Land zu arbeiten, in dem sie ihre historischen Wurzeln hat.

Mit der Arbeitsstelle Prag unter der Leitung von Msgr. Anton Otte ist die Ackermann-Gemeinde nunmehr seit 20 Jahren in der Tschechischen Republik als kompetenter Ansprechpartner präsent. Dabei ist es unmöglich, zwischen Amt und Person zu unterscheiden. Ackermann-Gemeinde und Toni Otte sind in Prag Synonyme.  

Die Erfolge der Arbeitsstelle lassen sich nicht in Zahlen darstellen. Man kann nur schlaglichtartig an einige wenige Aspekte erinnern. Die in der Zeit der kommunistischen Diktatur geheim gepflegten Verbindungen zu verfolgten Bischöfen, Priestern und christlichen Laien wurden aktiviert und zur Basis eines deutsch-tschechischen Neubeginns gemacht. Der Leiter der Arbeitsstelle baute in Prag die deutschsprachige Seelsorge auf. Landauf, landab war er zu Gottesdiensten und Wallfahrten unterwegs und rief Tschechen und Deutsche zur Versöhnung auf. Er knüpfte ökumenische Verbindungen zu den Böhmischen Brüdern und gewann die Tschechische Christliche Akademie für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Ackermann-Gemeinde, die sich z. B. in den Marienbader Gesprächen bewährte. Stets war und ist er auch Ratgeber für das Sozialwerk der Ackermann-Gemeinde, z. B. bei der Unterstützung des kirchlichen Schulwesens in Tschechien. Im Jahre 1999 war die Arbeitsstelle auch Geburtshelfer bei der Gründung der tschechischen Schwesterorganisation Sdružení Ackermann-Gemeinde.  

Für die politische Arbeit der Ackermann-Gemeinde ist neben ständiger Medienpräsenz in Form von Artikeln, Interviews und Leserbriefen die persönliche Verbindung des Leiters zu tschechischen Politikern und zur deutschen Minderheit wichtig. Gleich nach der Wende konnten Unterzeichner der Charta 77 als Gesprächspartner für die Lösung der Vergangenheitsprobleme gewonnen werden. 1993 vermittelte die Arbeitsstelle einen Meinungsaustausch im Außenpolitischen Ausschuß des tschechischen Abgeordnetenhaus, 1994 den Empfang einer Delegation der Ackermann-Gemeinde durch Präsident Václav Havel, danach auch Gespräche des Bundesvorsitzenden mit zwei Außenministern – 2001 mit Jan Kavan und im Jahr darauf mit Cyril Svoboda.

Einer möglichst breiten Einbeziehung der Zivilgesellschaft in den deutsch-tschechischen Dialog dienen seit 1992 die Iglauer bzw. Brünner Symposien. Dafür hat die Arbeitsstelle als Partner die Bernard Bolzano Gesellschaft unter Senatsvizepräsident Dr. Petr Pithart geworben. Dort wird  alljährlich unter Teilnahme von Regierungsmitgliedern ein freimütiger Meinungsaustausch zwischen Deutschen, Tschechen und Angehörigen anderer Völker Mitteleuropas gepflegt – ein Dialog, der nach anfänglicher Konfrontation inzwischen immer mehr in einen mitteleuropäischen Konsens mündet.

Wenn sich das politische Klima zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik inzwischen entspannt hat, wenn das, was um die Mitte des vorigen Jahrhunderts geschehen ist, in Tschechien heute zunehmend offen und unbefangen erörtert wird, dann hat die Arbeitsstelle Prag mit ihren Ideen und ihrem Arbeitsstil dazu erheblich beigetragen. Deshalb gilt ihrem Leiter auch im 20. Jahr ihres Bestehens das Lob, welches der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, P. Dr. Hans Langendörfer SJ, zum zehnjährigen Jubiläum so ausgedrückt hatte: „Es ist die Leistung vieler, in besonderer Weise aber Ihr Verdienst, lieber Herr Dekan Otte, auf einfühlsame und gewinnende Art die Fesseln alter Verwundungen und lang nachwirkender Unrechtserfahrungen gelockert und Wege gefunden zu haben, die zu einer dauerhaften Versöhnung beitragen.“ Jetzt wird die Arbeitsstelle weiterhin gebraucht, um die erreichte Annäherung zu sichern und in einen Prozeß der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit tschechischer und deutscher Christen überzuleiten.

Dr. Walter Rzepka
Ehrenvorsitzender

Sitz der AG in Prag: Das Emaus-Kloster