Hettingen

„Herab von der Kanzel, hinein in die Not“

Das Eiermann-Magnani-Haus in Hettingen

 

Am Vortag der diesjährigen Wallfahrt der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler nach Walldürn besichtigte eine Abordnung der Ackermann-Gemeinde im Erzbistum Freiburg das Eiermann-Magnani-Haus in Buchen-Hettingen. Der 1. Vorsitzende des Fördervereins Hans-Eberhard Müller und Beisitzer Karl Mackert, selbst noch Zeitzeuge, lieferten bei der Führung interessante Informa­tio­nen zum Haus, zur damals entstandenen Siedlung und natürlich zum Begründer Pfarrer Heinrich Magnani.

Zunächst führte Mackert die Gruppe durch die Siedlung, in der noch heute die schon ab 1946 geplanten Häuser stehen. Bis 1953 waren diese vor allem für die Vertriebenen gebauten Häuser entstanden. Planer war der Architekt Egon Eiermann. Eng mit der Siedlung in Hettingen verbunden war die „Klinge“ in Seckach, ein ebenfalls von Pfarrer Magnani im Februar 1951 gegründetes Kinder- und Jugenddorf, das es bis heute gibt. Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass Pfarrer Magnani zusammen mit Fritz Baier und weiteren Mitstreitern im Oktober 1949 in der Erzdiözese Freiburg den Diözesanverband der Ackermann-Gemeinde gegründet hat.

Den äußerst engagierten Priester charakterisierte Karl Mackert – er hat ihn noch erlebt. „Er war bereits als Schüler und Jugendlicher seinen gleichaltrigen Kameraden um Jahre voraus“, stellte Mackert fest. Im Jahr 1926 wurde er zum Priester geweiht, bereits in seinen ersten Jahren als Kaplan wurde seine „treibende Kraft“, so Mackert, sichtbar. Und sehr bald erkannte Magnani Hitlers Ideologie und wandte sich dagegen. „Er hat es geschafft, dass die Jugend nicht zur Hitler-Jugend, sondern zur Katholischen Jugend ging“, schilderte Mackert. Im ab November 1935 neuen Wirkungsort Hettingen plante Magnani den Bau eines neuen Hauses für Schwestern, das im August 1937 eingeweiht werden konnte. Während des Zweiten Weltkriegs hörte Magnani geheim in seinem Bienenhaus täglich die Nachrichten des englischen Senders BBC, war so über den tatsächlichen Kriegsverlauf informiert und konnte die Gemeinde auf die kommenden Ereignisse und Aufgaben vorbereiten – unter anderem auf die Aufnahme von Flüchtlingen und Vertriebenen. Auch an der Kapitulation Hettingens gegenüber der US-Armee hatte Magnani einen großen Anteil. In die Zeit danach fallen auch die Überlegungen zur Gründung entsprechender Vereine und Genossenschaften. Konkret wurden diese Gedanken, als Anfang 1946 in Seckach die ersten Züge mit Heimatvertriebenen eintrafen. Mit Spenden der Bevölkerung war schließlich ein Grundstock da, um die Baugenossenschaft und damit den Bau von Häusern für die Heimatvertriebenen und Einheimischen Realität werden zu lassen. Als Architekt gewann Magnani den aus Buchen stammenden Egon Eiermann. Bereits Ende 1948 konnten die ersten Häuser bezogen werden.

„Herab von der Kanzel, hinein in die Not“ war ein Leitwort von Magnani – nicht predigen, sondern tun! „Magnani war ein Draufgänger, der nicht lange gefragt hat und sich immer eng am Grat bewegt hat – für die anderen, nicht für sich. Er ist immer seinen Weg gegangen, ohne lange zu fragen“, fasste Mackert zusammen. Beispiele für Magnanis vielfaches Wirken sind die Gründung der kirchlichen Baugenossenschaft „Neue Heimat“ und die Planung der städtebaulichen Siedlung bzw. von 30 Ein-Familien-Reihenhäusern.

Fast alle Häuser in der Siedlung erfuhren im Laufe der Jahrzehnte Veränderungen. Nur dasjenige nicht, in dem jetzt die Ausstellung untergebracht ist. Im Sommer 2018 wurde die vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg konzipierte und im Wesentlichen von der Wüstenrot Stiftung finanzierte Ausstellung eröffnet. Betrieben wird das Museum vom Förderverein.

Markus Bauer

: Eine Gedenktafel informiert über wichtige Lebensdaten von Pfarrer Magnani.
Das seit Sommer 2018 geöffnete Eiermann-Magnani-Haus in Buchen-Hettingen.