Aussig | Ústí nad Labem

Im nordböhmischen Aussig/Ústí n.L. entseht ein neues Museum. Die Dauerausstellung wird den Titel „Unsere Deutschen“ tragen und auf die Geschichte der deutschen in den böhmischen Ländern blicken.

 

Im Spätsommer 2021 ist es soweit. In Aussig/Ústí nad Labem eröffnet die neue Dauerausstellung „Unsere Deutschen/Naši Němci“. Das Museum zur Geschichte der deutschsprachigen Bevölkerung in den böhmischen Ländern wird zu einem neuen Leuchtturm in der deutsch-tschechischen Nachbarschaft. Einen Einblick in die Arbeiten gab Anfang Juni beim kulturzoom der Ackermann-Gemeinde Dr. Petr Koura, seit 2017 Direktor des Collegium Bohemicum und damit Kurator der Ausstellung. Rund 80 Interessierte an den Bildschirmen folgten ihm beim virtuellen Rundgang.

„90 Prozent, konkret 23 der 25 Ausstellungsräume sind fertig“, erklärte er zu Beginn seines Vortrags, bei dem er anhand von Bildern durch das Museum führte. Wichtig ist ihm, dass neben den Sudetendeutschen auch die deutschsprachigen Juden präsentiert werden. In der ersten Etage geht es um die Aspekte „Wer sind unsere Deutschen?“, „Wo ist mein Heim?“ sowie die Aufteilung nach Nationalitäten. Auf Baum- und Holzstücken sind im ersten Raum die Informationen zu lesen – ein Hinweis auf die hohe Walddichte.

Eine zentrale Rolle spielt in der Ausstellung das Jahr 1848, dem sogar ein eigener Raum gewidmet ist – eine Bücherbarrikade. „Bis dahin wurde gemeinsam, ohne Wörterbücher, gesprochen. Danach war die Nutzung von Wörterbüchern nötig“, erläuterte Koura diesen Raum und damit das Jahr 1848, das für die Zäsur – den Beginn des Nationalismus – steht. In die Bücherbarrikade sind zudem Waffen eingebaut – ein Hinweis auf folgende gewalttätige Entwicklungen.

Im zweiten Stock wird unter dem verbindenden Titel „Arenen des öffentlichen Lebens“ die Zeit von 1848 bis 1945 behandelt. Aus der Ersten Republik finden sich hier zum Beispiel zahlreiche Aspekte deutscher Kultur, wie das deutsche Theater in Prag, das deutsche Schulwesen und das deutsche Exil nach 1933. Die Darstellung der Politik erfolgt nicht national, sondern aufgeteilt in demokratisch und nicht demokratisch. Die Jahre von 1938 bis 1945 werden in einen jüdischen, einen tschechischen und einen deutschen Weg aufgesplittet, am Ende dieses Raumes wird die Vertreibung der Deutschen thematisiert. So sind unter anderem Gegenstände zu sehen, welche die Vertriebenen zurücklassen mussten. Aber auch Gewalttaten gegen Deutsche werden mit Verweis auf die Plätze genannt und kurze Originalamateurfilme präsentiert. „Es ist nötig, diese Aufnahmen zu zeigen“, kommentierte Koura. Darüber hinaus gibt es Erinnerungen von Heimatvertriebenen zu hören und zu sehen.

In einer abschließenden Abteilung widmet sich das Museum dem Alltag und Gewerbe sowie der Industrie wie zum Beispiel der Seifensiederei der Familie Georg Schicht, dem Böhmerland-Motorrad oder den Bereichen Porzellan, Glas und Musikinstrumente. Ebenso geht es um deutsche Volkskultur und auch um Kirche und Kirchengeschichte.

„Wir bekamen bei bisherigen Besuchern nur positive Reaktionen. Leider hat sich die Eröffnung verspätet“, fasste der Direktor zusammen. Das Konzept der bemerkenswerten Ausstellung wurde von einem großen Team tschechischer, deutscher und österreichischer Historiker und Historikerinnen sowie Museumsexpertinnen und -experten vorbereitet.


Markus Bauer/ag


Die Reihe „Ort der Begegnung“ stellt Ortschaften und Ereignisse vor, die bezeugen, wo und wie deutsch-tschechische Nachbarschaft ganz konkret gelebt wird.

Dieser Beitrag erschien im Heft 2-2021 der Zeitschrift "Der Ackermann".

 

Aussig/Ústí n.L.
Ein neues Museum
(Fotos: Collegium Bohemicum/M. Bauer)
Aussig/Ústí n.L.
Ein neues Museum
(Fotos: Collegium Bohemicum/M. Bauer)